Im Kino

von Cornelia Manikowsky

© Bernd Reichert, ca. 1958
Im Kino
 
Ich bin mit meinem Sohn im Kino. Ein großes altes Kino und wir sind fast allein. Ein schöner Film. Langsam und kindgerecht. Während mein Sohn mit weit aufgerissenen Augen auf die Leinwand sieht, folge ich gleichermaßen dem Film und meinen Gedanken. Ich habe die Beine übereinander geschlagen und weit von mir gestreckt und ich genieße es, einfach da zu sitzen und nicht mehr zu tun, als die warme Kinderhand zu umfassen, die hin und wieder zu mir herübertastet. Ich gefalle mir. Mir gefallen meine ausgestreckten Beine in den verwaschenen Jeans, die dunklen Stiefelletten mit den hohen Absätzen, die taillierte Jacke und das Tuch, das ich um den Hals geschlungen habe. Mir gefällt auch die weiche Hand meines Sohnes, der ich den Halt geben kann, den sie braucht. Und der Film, der in die Kinderwelt eintaucht, ohne sie vorzuführen. Und der mir gleichzeitig Platz genug für meine eigenen Gedanken läßt. Das ist mir schon lange nicht mehr passiert. Die meisten Kinderfilme sind mir zu langweilig und zu zotig, im Kinosaal wird mir zu viel gekraspelt und ich mag es nicht, wenn meine Kinder mehr an dem Popcorn, als an dem Film interessiert sind. Jetzt sitzen wir in diesem großen alten Kino, niemand spricht, niemand knistert mit Gummibärchentüten oder Popcorn und ich halte die warme Hand meines Sohnes. Und ich denke an dich.
 
© Cornelia Manikowsky