„Machensemol s linge Ohr frei“

Peter Butschkow – „Rebecca, Roswitha und die wilden Siebziger“

von Frank Becker

Im Zauber der Mandola
 
Ein liebenswertes Panorama der 60er/70er
 
Für die einen, die Jüngeren, wird es wie ein Roman klingen, doch die anderen, die nur etwas Älteren, werden in Peter Butschkows Debüt-Roman ihr Leben wiederfinden. „Rebecca, Roswitha und die wilden Siebziger“ ist der Roman einer glücklichen Generation, die ohne # entspannt die freie Liebe genossen, kein Internet und kein Smartphone gekannt und nach den Durchreise-Schikanen der „DDR-Grenzorgane“ ab 1989 die Reisefreiheit in Deutschland genossen hat. Es ist ein buntes, witziges, verliebtes literarisches Road-Movie aus den frühen Siebzigern, das mal keine Häme, keinen Neid und keinen Haß, sondern mit herrlichem Humor und Augenzwinkern nur Harmonie, wechselseitiges Verständnis, Sympathie und lächelnde Offenheit transportiert. Dafür und für das zauberhafte Happy End, das ihm bestimmte Kreise mit Hinweis auf die politischen Verhältnisse – er läßt diese keinesfalls aus - sicher als Schwäche ankreiden werden, meinen ausdrücklichen Dank. Endlich mal ein Schriftsteller, der wie seine Schöpfung Rebecca C. Creek das Vermögen hat, leichte Unterhaltung mit Tiefgang zu verbinden und das Leben so aufzufassen, wie es ist – schön nämlich.
 
Mit blumenreicher Fabulierkunst schickt Peter Butschkow seine Helden Archie, Speck, Otter und ein paar Damen, die Rede ist von und den Herzensdamen Alex (wir finden sie übrigens auf dem Buchumschlag skizziert) und Caro, mit köstlichen Rückblenden – ich behaupte, Butschkow hat sich damit in den Rang eines Königs brillanter Abschweifungen geschrieben - auf eine fröhliche Reise in die Zeit von Batik, Trampern und Tüten, in der echte Freundschaft noch gelebt und Abenteuer groß geschrieben wurde.
Keine Haupt- aber durchaus auch keine Nebenfiguren, weil enorm wichtig für das Gesamt-Tableau, sind dabei Paula, Lola und Eugen, Tatta und Dylan, das liebenswerte Krämer-Ehepaar Hüschke sowie Hund Hartmut und Huhn Roswitha - sympathische, originelle Typen, die Peter Butschkow per gelungener Skizze wie seine Hauptpersonen dem Leben abgeschaut hat.
So, wie er den Alltag, das mehr oder weniger sorglose Dasein, das lockere WG-Leben junger Menschen von damals beschreibt ist es Mitte der 60er bis Ende der 70er Jahre wirklich gewesen. Ich schwörs, ich war dabei. Ein Meisterstück ist auch seine optisch wie sachlich filigrane und olfaktorisch punktgenaue Beschreibung der Zonengrenz-Kontrollen an der Transitstrecke durch die DDR und der listigen Westler-Fallen der Volkspolizei zwischen Marienborn und Drewitz, nebst deren überheblichen Belehrungen bei marginalen Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung des Arbeiter- und Bauernstaates. Marduk, Jochen, Martin: Erinnert Ihr Euch daran, wie wir unseren R 4 schrittweise durch die langatmigen Kontrollen geschoben haben? Peter Butschkow hat dem legendären „Machensemol s linge Ohr frei“ übrigens eine feine Facette hinzugefügt…
 
„Ein beschwingter Roman über große Gefühle in einer durchgeknallten Zeit“ heißt es im Klappentext. Da ist was dran. Es ist ein höchst gelungenes Zeitpanorama der späten 60er und frühen 70er Jahre, das tatsächlich weniger vom „Äußeren“, den politischen Ereignissen handelt, sondern von Menschen erzählt und die Atmosphäre ihrer Zeit schnuppern läßt. Die eingebaute aberwitzige, durchaus verzeihliche Lügengeschichte um Rebecca C. Creek, die ja nur dem Glück dient, hat Butschkow uirkomisch auf- und ausgebaut. Peter Butschkow ist, wie sich durch sein Romandebüt beweist, nicht nur ein genialer Spezialist für Cartoon-Momentaufnahmen, er ist auch ein humorvoller, warmherziger Erzähler, der in der Kategorie von Axel Marquardts „Rosebrock“ (2006) und Dietrich Rauschtenbergers „Ruhrstraße 33“ (2017) mit Erfolg gegen das literarische Establishment anschreibt. Sie werden „Rebecca, Roswitha und die wilden Siebziger“ lieben. Von mir für dieses wunderbare Buch die Auszeichnung der Musenblätter, den Musenkuß.
 
Peter Butschkow – „Rebecca, Roswitha und die wilden Siebziger“
Die Geschichte eines Betruges - Roman
© 2018 konkursbuchVerlag Claudia Gehrke, 350 Seiten Klappenbroschur, Fadenheftung - ISBN 978-3-88769-588-0. Erscheint auch als E-Book
14,90 €
Weitere Informationen:  www.konkursbuch-shop.com/