Dieser Abend gehört den Damen

George und Ira Gershwins „Crazy for You“ am TiC-Theater

von Frank Becker

Crazy for You
 
Ein Musical von George und Ira Gershwin
Neufassung von Ken Ludwig
 
Regie: Patrick Stanke – Regieassistenz: Michelle Ossowski - Musikalische Leitung: Stefan Hüfner – Choreographie: Paul Kribbe – Bühne: Jan Bauerdick & Benedikt Fiebig – Kostüme: Karin Alberti – Schneiderei: Mariola Kopczynski – Maske: Elke Quirmbach
 
Besetzung der Premiere: Jennifer Pahlke (Polly Baker) – Florian Siegmund (Bobby Child) – Christian Michalak (Zangler, Mingo, Eugene Fodor) – Hans-Willi Lukas (Mutter Child, Papa Baker) – Miriam Kraft (Irene Roth, Louise, Billy) – Maximilian Leuchter (Lank Hawkins) – Karim Oubad (Moose, Perkins) – Hannah Dickel (Tess, Wyatt) – Lara Kocherscheid (Patsy, Patricia Fodor, Junior) – Ranip Yaki (Carmen, Pete)
 
Songs mit Erfolgsgarantie
 
Seit seinem Entstehungsjahr 1930 hat das Musical „Girl Crazy“ der Gershwin-Brüder zwar seine Historie und auch den künstlerischen Handlungshintergrund verloren, nicht aber seinen Schwung, seinen Witz und vor allem nicht seine zündenden Melodien, „I got rhythm“, „But not for me“, „Embraceable You“ und „But Not For Me“ sind nur einige davon. 1992 hat Ken Ludwig den Stoff unter dem neuen Titel „Crazy for You“ gründlich umgeschrieben und zur besseren Vermarktung zusätzliche Gershwin-Hits aus anderen Quellen hineingenommen, wie u.a. „Tonight´s The Night“ (aus dem Broadway-Musical „Show Girl“, 1927), „They Can’t Take That Away from Me“ und „Shall we dance“ (aus dem gleichnamigen Film mit Fred Astaire und Ginger Rogers, 1937) oder „Nice Work If You Can Get It“ aus dem Film „A Damsel in Distress“ mit Fred Astaire und Joan Fontaine. Bis heute populär sind solche Songs natürlich Erfolgs-Garanten.
 
Die Story: Bobby (Florian Siegmund) muß sich in New York entscheiden, seine reiche Quasi-Verlobte Irene (Miriam Kraft) zu heiraten oder in Deadrock/Nevada ein Immobiliengeschäft im Interesse der Bank seiner Mutter (Hans-Willi Lukas) abzuwickeln. Er entscheidet sich für Deadrock, das zwar am A… der Welt liegt, aber aus den besseren Zeiten der Eroberung des Wilden Westens noch ein altes Theater hat, dessen Besitzer Baker (auch Hans-Willi Lukas) davon träumt, noch einmal eine Show auf dessen Bühne zu sehen. Um diese Immobilie geht es. Der für Tanz und Show begeisterte Bobby springt auf den Traum-Zug auf und versucht zur Rettung des Theaters mit Hilfe einiger Tänzerinnen und der Bewohner Deadrocks eine Revue aufzuziehen. Daß er sich dabei Hals über Kopf in die hübsche und resolute Polly Baker (Jennifer Pahlke) verliebt, versteht sich. Nach allerlei Liebeshändeln und Verwechslungen – Bobby schlüpft in Maske in die Rolle des berühmten Promoters Zangler – gibt es, wie auch anders ein mehrfaches Happy End.


Foto © Martin Mazur

Patrick Stanke hat das turbulente Stück pointenreich, humorvoll und mit der Unterstützung des Choreographen Paul Kribbe und des Musikalischen Leiters Stefan Hüfner im TiC-Atelier und der Multi-Funktions-Bühne von Jan Bauerdick & Benedikt Fiebig in Szene gesetzt. Das spürbar motivierte und durchweg talentiert und blutvoll aufspielende Ensemble, viele könne bereits beachtliche Musical-Leistungen dort vorweisen, ließ von der ersten Minute an – selten sah man vier derart zuckersüße blonde Jacob Sisters-Klone in herrlich rosa Revue-Kostümen - den Funken aufs vergnügte Publikum überspringen und hielt den Bogen für zweieinhalb Stunden unter vibrierender Spannung.
 
Der Abend gehört den Damen
 
Vor allem die Damen halten in der heiteren Inszenierung die Handlung, die Musik- und Tanznummern, vor allem aber den Erfolg des Abends in den zarten bis energischen Händen, wobei Altmeister Hans-Willi Lukas in diesem Falle neben seinem herrlich nostalgischen und Schimpfwort-korrekten Papa Baker durchaus auch mal als Dame durchgeht.
Dann aber wirklich die Damen: Die quirlig temperamentvolle Jennifer Pahlke, der man den Spaß an der Sache ansieht und ihr die Polly mit blitzenden Augen inklusive Kußfertigkeit hundertprozentig abnimmt, macht in ihrer facettenreichen Hauptrolle mitreißend eine gewohnt gute Figur. Die drei zwischendurch auch als Wildwest-Jungs besetzten Showgirls (Lara Kocherscheid, Hannah Dickel, Ranip Yaki*) sind nicht zuletzt dank der herrlichen Kostüme von Karin Alberti und der paßgenauen Schneiderei von Mariola Kopczynski eine Augen- und als Chor eine Ohrenweide. Eine Entdeckung ist dabei die zierliche Ranip Yaki*, die in ihrem Solo mit „I Got Rhythm“ beachtliches Gesangstalent offenbart. Man wird sie hoffentlich öfter besetzt sehen und hören. In der Handlung durch die Rolle der Irene insgesamt ein wenig unterrepräsentiert ist Miriam Kraft, die allerdings mit dem stärksten Solo des Abends punktet: Ihr „Böses Mädchen“ (Naughty Baby) ist einfach eine auch choreographisch perfekte Nummer. Chapeau! Alternativ ist sie übrigens auch als Polly besetzt.


Foto © Martin Mazur

Die Herren wollen wir nicht vergessen, denn sie sind im Grunde die Basis, Stichwortgeber und Gag-Fabrik, ohne die der Abend nicht so kurzweilig wäre. Der bereits erwähnte Hans-Willi Lukas überzeugt mit viel Humor besonders als alt und müde gewordener Papa Baker, Maximilian Leuchter haben wir den wunderbaren Schurken Lank Hawkins zu verdanken, Christian Michalak zeigt sich so wandlungsfähig wie witzig in verschiedenen Rollen und Florian Siegmund gibt einen liebenswerten Bobby.
Dem Ensemble gelingen vergnügte, klangvolle Shownummern mit Paul Kribbes Choreographie, Stunt und Slapstick - der Abend ist rund und ein empfehlenswertes Vergnügen.
 
Weitere Informationen:  www.tic-theater.de