Die ultimative Ü 70 Party

BEAT-CLUB - Die Musik einer Generation Eine Show des Westfälischen Landestheaters

von Frank Becker

© Radio Bremen
Die ultimative Ü 70 Party
 
BEAT-CLUB - Die Musik einer Generation
Eine Show des Westfälischen Landestheaters
 
Inszenierung und musikalische Leitung: Tankred Schleinschock – Ausstattung: Elke König – Choreographie: Barbara Manegold – Dramaturgie: Christian Scholze – Maske: Anja Reuter – Requisite: Amrei Vollmerhaus
Besetzung: Jonathan Agar / Hannes Staffler - Franziska Ferrari - Svenja Marija Topler - Mike Kühne - Emil Schwarz - Patrick Sühl / Hannes Staffler - Maximilian von Ulardt
Lippe-Saiten-Orchester: Tankred Schleinschock: Keyboard, Gesang - Jürgen Knautz: Baß, Gesang - Marco Bussi: Schlagzeug - Claus Michael Siodmok: Gitarre, Gesang - Matthias Fleige: Gitarre, Gesang - Klaus Dapper: Saxophon, Flöte 
 
Am 25. September 1965, nach 20 Jahren biederem Wirtschaftswunder-Deutschland, den Original Oberkrainern und Ernst Mosch, nach Freddy, Fred Bertelmann, Friedel Hensch und Margot Eskens wagt Radio Bremen das Unerhörte: BEAT! Der kleine norddeutsche Fernsehsender hat die Zeichen der Zeit erkannt und präsentiert die erste Beat-Musik-Sendung im Fernsehen – nur für junge Leute! Für die einen ein Skandal, für den sich der damalige Fernseh-Ansager Wilhelm Wieben noch beim älteren Publikum entschuldigte, für die anderen der Beginn der Befreiung. Der BEAT-CLUB eroberte unter der Leitung von Mike Leckebusch von nun an zur besten Sendezeit den Bildschirm. 83 Folgen werden bis 1972 ausgestrahlt, und die ganz großen Stars von Beat und Rock waren live im Bremer Studio.
Tankred Schleinschock  - wir kennen ihn als Macher der Show „Beatles. Das weiße Album“ – hat aus diesem Stück Zeitgeschichte eine Herzensangelegenheit gemacht, die sich auch als Publikumsmagnet erweist. Beim Gastspiel im vollbesetzten Remscheider Teo Otto Theater zeigte es sich: Die damals regelmäßig an den Bildschirmen dabei waren, sind heute die Altvorderen, die Show wurde zur ultimativen Ü 70 Party mit bester Stimmung und vielen Aaahs und Ooohs des frohen Wiedererkennens.


Beat-Club - Jonathan Agar - Foto © Volker Beushausen


So wie die Bremer Lokalmatadore The Yankees mit „Halbstark“ 1965 den BEAT-CLUB eröffneten tat es auch das hochmotivierte Ensemble in der Show, perfekt in noch bravem Habitus und zurückhaltender Action dem Original nachempfunden. In die Charts sind die Yankees damit übrigens nie eingezogen.
Nicht ganz in der Chronologie der Pop-Geschichte, dafür in ausgezeichneten Interpretationen folgten u.a. Mary Hopkins „Those Were The Days (My Friend)“, Chris Andrews´ „Yesterday Man“, „My Generation“ von The Who, „Lola“ von den Kinks mit Ray Davies, die Rolling Stones mit „Jumping Jack Flash“, „Itchycoo Park“ von den Small Faces und Jimi Hendrix Experiance´ „Hey Joe“. Elke König sorgte für die passende Ausstattung mit Schlaghosen, Miniröcken, Brokat- und Flokati-Jacken, Teppichmänteln, Rüschen und Blumenkränzen. Bei diesem Anblick und Songs wie „In the Summertime“ (Mungo Jerry), „Lazy Sunday (Afternoon)“ von den Small Faces, „I´m a Believer“ von den Monkees und dem herrlichen „Day Dream Believer“ von der unvergessenen Anne Murray (an keinen anderen Hit von ihr erinnern sich übrigens die Chroniken) bekam der Alt-68er durchaus feuchte Augen. Von Hunderten wurde gerührt und vergnügt mitgesungen, übrigens nicht das einzige Mal in dieser stimmungsvollen Show.
Die Band unter Leitung von Tankred Schleinschock leistete in der gut zweieinhalbstündigen Show Außergewöhnliches, paßte Sound und Gefühl mitreißend den Originalen an – und wurde vom spielfreudigen Ensemble des Westfälischen Landestheaters perfekt unterstützt. Man kommt nicht umhin, den Sänger und Multiinstrumentalisten Patrick Sühl als schieres Wunder hervorzuheben und vor dem charismatischen Sänger Jonathan Agar ganz tief den Hut zu ziehen.


Beat-Club - Patrick Sühl - Foto © Volker Beushausen

Hochmusikalisch, im besten Zeitkolorit, gespickt mit Humor und Zitaten und köstlich ungeschickten Go-Gos (Choreographie: Barbara Manegold - schauen Sie sich mal alte Clips an) brachte „BEAT-CLUB - Die Musik einer Generation“ mit einem Rücksturz in die 60er und 70er auch im zweiten Teil eine Epoche zurück, die (meiner Seel´!) ein gutes halbes Jahrhundert hinter uns liegt. Es war auch die Zeit, als Pop-Musik komplexe Kompositionen erlebte. Manfred Mann mit „Mighty Quinn“, Creedence Clearwater Revival mit „Bad Moon Rising“, Alice Coopers „Elected“ (Maske: Anja Reuter), Jethro Tulls „Locomotive Breath“ (das übrigens erst vier Jahre nach dem Ende des BEAT-CLUB herauskam), „Down On the Corner“ (CCR) oder der Rolling Stones Song „Brown Sugar“ boten ein Füllhorn Rock-Musik. Einer ist ebenfalls herauszuheben: Emil Schwarz mit seiner berührenden Interpretation von Don McLeans „Vincent“. Da hätte man im vorher rockenden Saal eine Nadel fallen hören können. Entsprechend der Applaus. Ein gelungener Abend.

 
Beat-Club - Mitte: Franziska Ferrari - Foto © Volker Beushausen

Weitere Informationen: www.westfaelisches-landestheater.de