Paula Modersohn-Becker - Zwischen Worpswede und Paris

Ein Gang durch die Ausstellung (5)

Red./Bec

Selbstbildnis 1906
Paula Modersohn-Becker
Zwischen Worpswede und Paris
 
Von der Heydt-Museum Wuppertal
9. September 2018 – 6. Januar 2019
Ein Gang durch die Ausstellung (5)
 

Inspiration Paris
 
Während ihrer ersten Paris-Aufenthalte studiert Paula Modersohn-Becker an der privaten Akademie Colarossi und der Ecole des Beaux-Arts, viel Zeit verbringt sie in den Museen und Galerien. Geleitet von der Suche nach der „großen Einfachheit der Form“ interessiert sie sich bei ihrem zweiten Paris-Aufenthalt besonders für altjapanische Malerei und die altägyptischen Fayumporträts. Die Porträts wurden wahrscheinlich zu Lebzeiten auf Holzbrettchen gemalt und nach dem Ableben des
Porträtierten am Kopfende der Mumien befestigt und einbandagiert. Die Einfachheit dieser Porträts kommt Paula sehr entgegen, während die aktuelle Kunst ihr „noch viel zu konventionell“ erscheint.
Der zweite nachhaltige Impuls des Paris-Aufenthalts ist die Begegnung mit Rodin. Auf Vermittlung von Rainer Maria Rilke besucht Paula Modersohn-Becker ihn in seinem Atelier und ist besonders von seinen colorierten Zeichnungen fasziniert. Seine Kunst ist für sie das Größte, und sie vermutet, dass sie etwas Ähnliches zukünftig nicht mehr erleben wird, wie sie aus Paris in einem Brief an ihren Ehemann schreibt.
Indem sie selbst zunehmend komplexe Dingwelten auf einfache bildnerische Formen reduziert, gelangt sie zu ihrem unverwechselbaren Stil, der mit dem Kanon des 19. Jahrhunderts bricht und den Weg für die Moderne ebnet.
 
Tagebucheintrag, 25. Februar 1903:
 
„Ich sehe sehr viel, und komme, glaube ich, innerlich der Schönheit näher. In den letzten Tagen habe ich viel Form gefunden und gedacht. Ich stand bis jetzt der Antike sehr fremd gegenüber. Ich konnte sie wohl schön finden an und für sich; aber ich konnte kein Band finden von ihr zur modernen Kunst. Und nun habe ich es gefunden und das heißt, glaube ich, ein Fortschritt. Ich fühle eine innere Verwandtschaft von der Antike bis zur Gotik, hauptsächlich die frühe Antike, und von der Gotik zu meinem Formempfinden.
Die große Einfachheit der Form, das ist etwas Wunderbares. Von jeher habe ich mich bemüht, den Köpfen, die ich malte oder zeichnete, die Einfachheit der Natur zu verleihen. Jetzt fühle ich tief, wie ich an den Köpfen der Antike lernen kann. Wie sind die groß und einfach gesehen! Stirn, Augen, Mund, Nase, Wangen, Kinn, das ist alles. Es klingt so einfach und ist doch so sehr, sehr viel. Wie einfach in seinen Flächen solch ein antiker Mund erfaßt ist.“


Auguste Rodin, Baigneuse, um 1900 - Foto © Von der Heydt-Museum 

Tagebucheintrag, April 1903, nach ihrer Rückkehr nach Worpswede:
 
„Ich komme unseren Leute wieder nahe, empfinde ihre große biblische Einfachheit. …Ich habe einen großen Drang nach Natur von Rodin, Cottet und Paris mitgebracht. Und das ist wohl das Gesunde meiner Pariser Reise. Es brennt in mir ein Verlangen, in Einfachheit groß zu werden.“

 

Folgen Sie morgen hier weiter dem Gang durch die Ausstellung.
 
Redaktion: Frank Becker