Eine Frau, deren Leben einer Achterbahnfahrt glich

„Geniale Göttin – Die Geschichte von Hedy Lamarr“ von Alexandra Dean

von Renate Wagner

Geniale Göttin –
Die Geschichte von Hedy Lamarr
(Bombshell: The Hedy Lamarr Story)
Dokumentation - USA 2017

Regie: Alexandra Dean
 
Dokumentationen wie diese über große Hollywoodstars landen bei uns meist umweglos bei arte. Der Fall Hedy Lamarr liegt allerdings anders. Erstens ist sie „eine von uns“, die gebürtige Wienerin, letztendlich nach jahrzehntelanger Abwesenheit noch in einem Ehrengrab am Zentralfriedhof beigesetzt. Und außerdem ist ihre Geschichte so besonders, daß selbst Hollywood-Drehbuchautoren vor einer solchen Ballung von „Triumph und Tragödie“ vermutlich zurückschrecken würden…
Und viel im Gespräch ist sie auch – nicht nur wegen ihrer „technischen“ Meisterleistung, die nun schon bereits seit Jahren viel Bewunderung und Anerkennung findet, sondern weil sie demnächst auch als Heldin eines Hollywood-TV-Schinkens (in Gestalt von „Wonder Woman“ Gal Gadot) in die Wohnzimmer kommt. Turrini hat ein Stück über sie geschrieben, das an der Josefstadt gespielt wurde – also, alles Hedy, oder was?
 
Wen wundert’s? Die Geschichte ist auch zu schön: Hedwig Kiesler, jüdische  Großbürgerstochter aus Wien, in kulturellem Ambiente aufgewachsen, war offenbar ein technisches Naturtalent, hatte sie doch schon als Achtjährige eine „musicbox“ (wohl ein Radio) auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt. Wie viel ihr technisches Verständnis auch durch die Kenntnis der Waffen geschärft wurde, mit denen ihr erster Gatte, der Waffenhändler Fritz Mandel (Jude, der mit den Nazis Geschäfte machte) reich wurde, wird hier nicht behandelt… Davor hatte Hedy schon als 19jährige (wenn das Geburtsdatum 1914 stimmt) mit dem Film „Ekstase“ Skandal gemacht, nackt auf der Leinwand, Orgasmus simulierend, das war auch in den entfesselten dreißiger Jahren skandalös.
Der Film von Alexandra Dean ist eine echte Dokumentation, viele Bilder, Filmausschnitte, viele Interviews mit Zeitgenossen und Nachkommen, und immer wieder auch Hedys Stimme im Hintergrund. Die Wiener Zeit wird relativ schnell abgehandelt, es ist ein Film für ein amerikanisches Publikum, und Hedy Lamarr schaffte den Absprung aus einem für Juden zunehmend ungemütlichen Europa und die Ankunft in einem kinosüchtigen Amerika zur rechten Zeit.
 
Sie war ja auch faszinierend schön – es gab noch keine Elizabeth Taylor, die einzige, die ihr später als „dunkle Schönheit“ das Wasser reichen konnte, und Vivien Leigh drehte nach „Vom Winde verweht“ Hollywood den Rücken und gab ihre Schönheit wieder dem europäischen Kino. Daß Hedy dennoch kein Nr. 1-Star wurde – die Dokumentation führt es auf schlechte Drehbücher zurück – lag daran, daß sie tatsächlich als
Schauspielerin kein überwältigendes Talent war.
Aber schön, schön, schön. Aber entscheidend ist über sie wohl die Aussage: „Glamorous yes, stupid no.“ Als Howard Hughes Probleme hatte, einen optimalen Flugzeugrumpf zu schaffen, hat sich Hedy Lamarr damit befaßt, welche Vögel und Fische die schnellsten waren und aus den Vorgaben derer Körper, quasi die Natur befragend, die ideale Form entwickelt…
Der Zweite Weltkrieg brach aus, Hedy fühlte sich der neuen Heimat stark verpflichtet, die Deutschen torpedierten die alliierten Schiffe. Sie hat mit George Antheil „Frequency Hopping Spread Spectrum“ entwickelt, ein „Frequenzspreizverfahren für die drahtlose Datenübertragung“, erklärt uns Wikipedia. Wir müssen es nicht begreifen – Hedy konnte es sich ausdenken, sie war wohl wirklich klüger als wir alle zusammen…
Es hat sie nicht reich und erst später berühmt gemacht, denn verwertet wurde die Erfindung erst später. Als Glücksfall stellte sich Cecil B. de Milles „Samson and Delilah“-Film heraus, die 35jährige brillierte als verführerische Bibel-Lady, der Film war zu seiner Zeit der zweiterfolgreichste nach „Vom Winde verweht“. Aber für eine weitere Karriere war sie wohl damals zu alt.
 
Was von ihrer Biographie noch zu erfahren ist, ist tragisch – eine Unmenge schief gegangener Ehen (zwei Kinder, die – alt geworden – doch eher freundlich als kritisch über sie sprechen), der Versuch, den Studios zu entkommen, also selbst Filme für sich zu produzieren, was sie finanziell ziemlich gebeutelt hat. Sie war eine Frau, die ununterbrochen in „Projekten“ dachte (etwa ein Skiressort in Texas), aber erfolglos blieb. Und „herabkam“, wegen Ladendiebstahls vor Gericht landete. Hämische Medien genossen die Peinlichkeiten, hetzten sie, mißglückte kosmetische Operationen zerstörten, was einst ihre Schönheit gewesen war.
Trotz ihres im Krieg bewiesenen Amerika-Patriotismus wurde sie im Alter offenbar von Heimweh geschüttelt. Aus ihren späten Jahren erlebt man noch eine Frequenz, wo sie Deutsch spricht: „Ich bleibe immer eine Österreicherin.“ Am 1. Jänner 2000 rief sie ganz aufgeregt ihre Kinder an, „Vienna!“ sei im Fernsehen: Das war das weltweit übertragene Neujahrskonzert. Ein paar Tage später ist sie gestorben. Ihre Erfindung des Frequency Hopping, auf der heute die Mobiltelefone beruhen, repräsentiert einen Wert, wie wir am Ende erfahren, von 30 Milliarden (!) Dollar… Der Film demonstriert „sincere admiration“, ehrliche Bewunderung, für eine Frau, deren Leben einer Achterbahnfahrt glich.
 
Trailer   
 
Renate Wagner