Botschaft und Seele

Madeleine Peyroux – „Anthem“

von Frank Becker

Anthem
 
Madeleine Peyroux
 
Madeleine Peyroux ist ein Solitär auf dem Musikmarkt und eine ganz große Nummer im Jazz. Jetzt, acht Alben und 22 Jahre nach ihrem sensationellen Debüt „Dreamland“ stellt sie ihr hinreißendes neues Album „Anthem“ vor – und übertrifft sich selbst damit ein weiteres Mal. Begleitet von bewährten Kollegen wie Larry Klein, Dean Parks, David Baerwald, Brian MacLeod und Patrick Warren und produziert von Larry Klein ist eine ganz außergewöhnliche, vom ersten Akkord an faszinierende Schallplatte entstanden, die ich diesmal bewußt unter „Chanson“ einordne – der Texte, der Arrangements und der Performance Madeleine Peyroux´ wegen – wenn auch der Jazz durchaus nicht zu kurz kommt.
 
Schon der swingende Opener „On My Own“ aus Peyroux´ Feder geht mit dem Intro von Andy Martins Posaune und dem gewissen Kick von Madeleine Peyroux´ Stimme unmittelbar unter die Haut. Dankenswerterweise liegt ein Booklet bei, das alle Texte transportiert und dem Zuhören die angenehme Dimension des Mitlesens beigibt. Da gibt es zum einen kein Rätselraten, was die Sängerin uns da erzählt, zum anderen den ganzen Genuß auch der Poesie neben der grandios arrangierten Musik, die bis auf zwei Titel („Anthem“ von Leonard Cohen und „Liberté“ von Paul Eluard) komplett von der Band geschrieben wurde.

„Anthem verknüpft die schillernden Geschichten von Menschen (miteinander), die sich den Herausforderungen des Lebens auf vielfältige Weise stellen. Mit Pathos und einer Spur von Ironie werden in „Down On Me“ finanzielle Schwierigkeiten beklagt. Im bluesigen „The Ghosts Of Tomorrow“ geht es um Enttäuschung und unerfüllte Träume, während „The Brand New Deal“ ein vernichtend scharfer gesellschaftspolitischer Kommentar ist. „Anthem“ präsentiert eine deutlich gereifte Madeleine Peyroux, die sich präziser zu artikulieren versteht. Inspiriert von der Begabung ihres Idols Leonard Cohen, „für die Arbeit zu leiden, aber dem Hörer dennoch nur einen freundlichen Gedanken anzubieten“, sendet Peyroux angesichts einer turbulenten Realität eine spirituelle, aber eindeutige Botschaft der Hoffnung, des Optimismus und der Widerstandfähigkeit“. Soweit zutreffend der Label-Text. Und weiter: „Peyroux bezeichnet „Anthem“ als ihr „bisher größtes Projekt“.
 
Es ist zumindest vor meinen Ohren das Beste, was in Sachen Chanson / Jazz hier seit Jahren auf dem Plattenteller gelegen hat. Ein Album mit Botschaft, Seele und sowohl lyrischer wie auch musikalischer Einzigartigkeit. Die Musenblätter heften Madeleine Peyroux dafür ihre Auszeichnung ans Digipack: Den Musenkuß – mit Sternchen! Und unsere CD des Monats ist es auch.
 
Madeleine Peyroux – „Anthem“
© 2018 Pennywell Productions / Decca Records
Madeleine Peyroux (voc, guilele) – Larry Klein (b, keys, g etc.) – Dean Parks (guitars) – David Baerwald (guitars) – Brian Macleod (dr, perc) – Pete Kuzma (hammond) – Patrick Warren (p, wurlitzer etc.) – Gregoire Maret (harm) – Jivan Gasparyan (duduk) – Andy Martin (tb) – Chris Cheek (ts, bs) – John Sneider (tp) – Gabriel Johnson (tp) – Luciana Souza (tamb, perc. etc.) – Maxine Waters, Julia Tillman Waters, Clydene Jackson (backing voc)
 
Titel:
1. On My Own – 2. Down On Me – 3. Party Tyme – 4. Anthem – 5. All My Heroes – 6. On A Sunday Afternoon – 7. The Brand New Deal  - 8. Lullaby – 9. Honey Party – 10. The Ghosts Of Tomorrow – 11. We Might As Well Dance – 12. Liberté
Gesamtzeit:  53:26
 
Weitere Informationen:  http://madeleinepeyroux.com/  -  www.jazzecho.de