Szene-Film sucht Szene-Publikum.

„Sowas von da“ von Jakob Lass

von Renate Wagner

So was von da
(Deutschland 2018)

Regie: Jakob Lass
Mit: Niklas Bruhn, Corinna Harfouch, Bela B. Felsenheimer, Martina Schöne-Radunski, Tinka Fürst u.a.
 
Einen Film wie diesen, der sich nicht an ein „Normalpublikum“ wendet, könnte man fast unter „Dokumentationen“ einordnen – nicht nur, weil er bei einer realen Silvesterparty in Hamburg gedreht wurde. Im Ganzen ist das Gezeigte als Sozialstudie interessanter denn als Geschichte, die es im Grunde nicht gibt – nur Stückwerk rund um ein paar Figuren, die auf- und wieder abtauchen.
 
Eigentlich beginnt es wie ein „echter Krimi“, wenn eine Stimme aus dem Off ertönt und uns erzählt, daß es für ihn gerade nicht so gut läuft. Wenn ein Clubbesitzer Schulden bei Kriminellen hat, die versprechen, ihm die Finger zu brechen (oder abzuhacken?), wenn er das Geld nicht ganz schnell rüberlatzt, ist die Situation einigermaßen nicht entspannt. So lernt man Oskar Wrobel kennen, der außerdem gewissermaßen Seelenschmerz hat: Denn heute, in der Silvesternacht, steigt die letzte Sause seines Musikclubs an der Reeperbahn in St.Pauli. Dann wird, nicht zuletzt dank (wofür man nicht dankbar ist) der Innensenatorin das Gebäude abgerissen und irgendwelchen Neubauten weichen… (Man weiß, welches Gewicht die Reeperbahn in der Musik-Club-Szene hat, man muß nur an die Beatles denken, die erst dort wirklich berühmt wurden.)
Ja, und dann steigt man in der Verfilmung des Romans von Tino Hanekamp (unter demselben Titel 2011 erschienen) in diese letzte Nacht ein – kein Wunder, daß es vor allem ein Chaos wird, denn Regisseur Jakob Lass, einer von Deutschlands Beiträgen zur Independent-Szene, ist bekannt dafür, auch gerne mal vor der Kamera improvisieren zu lassen, was einer stringenten Dramaturgie nicht zuträglich ist. Aber darum geht es auch nicht.
Worum sonst? Um das „Lebensgefühl“ (oder Absterbensgefühl), das in ein paar banal-philosophischen Brocken rüberkommt („Im Schmelztiegel der Suchenden das Leben noch einmal genießen / Neujahr, das Kapitel, in dem die Zarten in den Garten kommen / Worum geht es im Leben? Und das Hier und Jetzt. Ich finde das cool“).
 
Im übrigen hält man sich an die Figuren. An Oskar (Niklas Bruhn), den Unglückswurm, der im Zentrum steht und bleibt, weil alle Figuren sich immer wieder einmal an ihm reiben. An Kiezkalle (Kalle Schwensen) mit seinen sadistischen Geldforderungen, ein Mann, dem man nicht einmal im Hellen, geschweige denn im Dunkeln begegnen möchte. An Nina (Martina Schöne-Radunski), die Freundin, die herumeiert: „Was ist denn mein Talent?“
Mit Exfreundin Mathilde (Tinka Fürst) gibt es immer nur Probleme. Partner Pablo (David Schütter) muß erfahren, daß die Schulden drückend sind, und dann taucht Popstar Rocky (Mathias Bloech) im Club der gebrochenen Herzen auf, um sein letztes Konzert hier zu geben…
Als Rockys Mutter wird sich später Corinna Harfouch ins Geschehen verirren, die Hamburger Innensenatorin auf der Suche nach ihrem abgehalfterten Mann (der Rocker-Vater Elvis, gespielt von Bela B. – für alle, denen das was sagt) – und findet sich dann längere Zeit im Fahrstuhl eingesperrt. Sie ist, wie man ihr nachfühlen kann, „not amused“.
Madame muß sich, wie das Publikum, mit einer Menge unglückseliger Typen einlassen und wird in den Partyabend mit viel Musik, viel Gesöff und viel blödem Gestammle hineingezogen, wo auch mal tief in die Klomuschel gelangt wird. Wenn man sich fragt, was da eigentlich erzählt wird, bleibt als Konstante, daß der Gangster sein Geld will. Und? Schwer zu sagen. Lebensgefühl, wie gesagt. Eine Sozialstudie. Resümee: Szene-Film sucht Szene-Publikum.
 
 
Renate Wagner