Viel diskret!

„Die Wilde Schönheit der Auslegeware“ - Das komische Universum des Bernd Pfarr

von Frank Becker

Viel diskret!
 
Zu Bernd Pfarrs 60. Geburtstag
  
Die Besten sterben jung“ – man hat diesen Satz immer wieder im Zusammenhang mit dem frühen Tod von Idolen der Film- und Musikbranche gelesen. Noch immer pilgern Abertausende zum Grab von Jim Morrison in Paris, sehen sich Fans mit zerknüllten Taschentüchern in der Hand James Deans „East of Eden“ und „Rebel Without a Cause“ an, hören am 3. Februar die Platten von Buddy Holly, Richie Valens und The Big Bopper.

Einer, um den solch ein Aufheben grundsätzlich nicht gemacht wird, der aber mit seinen graphischen Arbeiten und seiner Kürzestprosa zu den größten Zeichnern, intelligentesten Cartoonisten und humorvollsten Alltagsphilosophen des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts gehört, ist Bernd Pfarr (1958-2004). Nun aber, aus Anlaß seines 60. Geburtstages am 11.11., hat sich eine Autorengemeinschaft zusammengefunden, die den Künstler mit einem kleinen Querschnitt durch sein Werk posthum ehrt, denn was er in den letzten 20 Jahren seines Lebens bis zu seinem Tod 2004 geschaffen hat, wird als einzigartiges Werk eines genialen Künstlers überdauern. Die Laudatoren sind wahrlich die schlechtesten nicht: Kollege Hendrik Dorgathen schickt Pfarr Liebesgrüße, Hans Zippert spricht über das Verhältnis Pfarrs zum Tier, Bernd Eilert über die Seele der Dinge, Nicolas Mahler über Pfarr und das Automobil, Michael Schmacher analysiert Pfarrs Verhältnis zur Architektur, Michael Gutmann hat sich dem Verkleidungstick der Pfarrschen Figuren gewidmet, Patrick Bahners nimmt sich das delikate Neger-Thema vor, Ralf König die Mythologie und wer sonst als Elke Heidenreich die Literatur. Henning Bredenfeld schließlich blieb es vorbehalten, Bernd Pfarrs / Sondermanns ambivalentes Verhältnis zu Gott zu beleuchten. Alle haben sich dankenswert kurz gefaßt.


 Steueroase in Schwarzafrika © Bernd Pfarr

Eine repräsentative Auswahl aus dem enormen Œuvre Bernd Pfarrs zu treffen muß sich als unerhört schwer erweisen. Diese hier scheint gelungen und Pfarr angemessen getan. Es wird auch hier wieder deutlich, daß man Bernd Pfarr nicht irgendwo festmachen kann, schon gar nicht als Comic-Künstler, hat er doch auch Dulle, Gott und Hektor zur Serienreife gebracht und dem Neger im Cartoon artig Platz eingeräumt. Vor allem aber prägt Sondermann liebenswert eigenwillig die verschobene Welt, in die Bernd Pfarr uns so gerne entführt hat.
Pfarr ist in jedem einzelnen seiner Bilder ein tiefsinniger Philosoph, lockt er auch mit sanfter Ironie unwiderstehlich das Lachen aus dem Betrachter heraus. Bei aller ansteckenden Heiterkeit ruhen in seinen Bildern und Geschichten auch Menschenliebe, eine tiefe Melancholie und der Sinn für das Skurrile in Situationen und Menschen. Er beherrschte die Gratwanderung zwischen Albernheit und höherer Einsicht – und er muß verdammt viel Spaß gehabt haben als er Bilder wie „Als Sondermann sah, wie täppisch und hilflos Gott zuweilen war, beschloß er, den alten Herrn nicht länger mit abendlichen Gebeten für eine bessere Welt zu behelligen.“, „Steueroase in Schwarzafrika“ und „Als Purzel gewahr  wurde, wie wenig er im Leben bislang gemäß Kants kategorischem Imperativ gehandelt hatte, überkam ihn großes Wehklagen“ malte.


 Nachdem sein Wagen nun schon zum dritten Mal hintereinander nicht ansprang,
hatte Clown Pippo die Nase voll. © Bernd Pfarr

Haben Sie jemals jemanden getroffen, der/die beim Betrachten eines Cartoons von Bernd Pfarr, zumal einer seiner Sondermann-Geschichten, nicht von entzücktem Lächeln ergriffen worden wäre? Falls ja – streichen Sie diese Person umgehend aus Ihrem Adressbuch. Sie hat keinen Humor. Und wer will so jemanden schon kennen.
Bücher mit Bildern und Geschichten Bernd Pfarrs sind ein Gewinn für jedes Haus. Dies hier auch.

Vom 24. November 2018 bis 17. Februar 2019 zeigt das Deutsche Museum für Karikatur und Zeichenkunst Wilhelm Busch“ in Hannover aus dem nämlichen Anlaß eine Gedenkausstellung, die von diesem Buch begleitet wird: www.karikatur-museum.de
 
„Die Wilde Schönheit der Auslegeware“ - Das komische Universum des Bernd Pfarr
© 2018 Carlsen Verlag, 160 farbig illustrierte Seiten, flexible Klappenbroschur – ISBN: 9778-3-551-72879-1
25,- €
Weitere Informationen:  www.carlsen.de


  Geistesgegenwärtig hatte Gott damals vom Urknall ein Foto geschossen,
welches er immer noch recht eindrucksvoll fand. © Bernd Pfarr
 
Weitere Literaturempfehlungen:
Bernd Pfarr - „Sondermann schlägt zu“ - 1991 Eichborn Verlag, Frankfurt/M. Bernd Bernd Pfarr - „Komische Bilder“ - 1996 Verlag Zweitausendeins, Frankfurt/M.
Bernd Pfarr - „Eines Tages war Zeus das Blitzeschleudern leid“ - 1998 Verlag Zweitausendeins
Pfarr – „Sondermann im Glück“ - 2002 Verlag Zweitausendeins, Frankfurt/M.
Bernd Pfarr -  „Sondermann“ (Gesamtausgabe) - 2007 Steidl Verlag
Bernd Pfarr – Meister der komischen Kunst, 2012 Verlag Antje Kunstmann