Isadora Duncan

Thøger Jensen – „Ludwig“

von Frank Becker

Isadora Duncan
 
Die Luft schmeckt anders, er ist zurück in der Stadt.
 
Thøger Jensen, in Dänemark längst durch seine Romane und Kurzprosa bei der Leserschaft angekommen, ist nach „Serpentine“ (2008) nun mit einem zweiten Roman in deutscher Sprache auf den österreichischen Buchmarkt gekommen: „Ludwig“.
Soviel schon hier: Dieses Buch, so schmal es ist, ist ein Geniestreich. Selten durfte ich in den letzten Jahren eine so überzeugende Prosa lesen. Und natürlich kam mir sogleich die großartige Helle Helle in den Sinn, als mich „Ludwig“ im Handstreich eroberte. Beide nämlich bleiben mit ihren Romanen ganz einfach dem Leben verpflichtet. Auf mal gerade 88 Textseiten luzider Prosa in sachlicher, dennoch unerhört poetische Sprache, die sich an nichts überflüssigem aufhält, leise und langsam, schnörkellos und mit knappen, wirksamen Dialogen erzählt Thøger Jensen den durch und durch liebenswerten Entwicklungsroman eines Menschen, der wenig erwartet, aber unerwartet viel bekommt.
 
Um bis zu seinem 40. Geburtstag Bachs „Inventionen“ zu erlernen, zieht Niels Winckler vom nordjütländischen Land nach Århus an der Ostküste. Als Gegenleistung für den Klavierunterricht übernimmt er bei seinem Lehrer und Vermieter Åke Hällevik die Hausmeistertätigkeiten. Durch den Ortswechsel erweitert Niels sukzessive seinen neuen Blick auf den Alltag, entdeckt andere Lebenswirklichkeiten und mit ihnen auch neue Menschen in neuer Umgebung. Schnell lernt er die dänische Großstadt und die Beobachtung der Menschen darin schätzen, fühlt sich in der Idylle seiner Hausgemeinschaft dort zusehends geborgen, findet Freundschaften, wie z.B. zur Nachbarin Ásta.
 
Ludwig ist der Hund seines Klavierlehrers, ein Schäferhund, der gelegentlich ebenso  eigenwillig ist wie sein Herr. Ludwig wird aber auch zur Brücke zu einem ganz neuen, ungemein erfüllenden Abschnitt in Niels´ Leben und zu einer entscheidenden Belastungsprobe wird. Durch ihn nämlich lernt er seine Ärztin Hanne Lauritzen privat kennen und findet die Liebe – sein erster Sommer in Århus wird zum Schlüssel für eine glückliche Zukunft. Mit Hanne und Niels durchstreifen wir im Alfa Romeo Spider in ganz kleinen Kapitelchen Midtjylland, besuchen die Westküste, Herning, Vejle, Viborg und die vorgelagerten Inseln. Jensen erzählt das alles so unprätentiös und ohne künstlich angelegte Fußangeln – Spannung erzeugt sich durch die Echtheit – wie das Leben eben ist. Die Bilder, die er vor den Augen des Lesers entstehen läßt, zeichnet er ähnlich wie es in der Kunst der chinesischen Tuschmalerei geschieht - durch Weglassen das Wesentliche zeigen.
 
Die Bezüge der Kapitel-Numerierung zu J.S. Bachs „Inventionen“ mögen eine Bedeutung haben, die dem musikalisch informierten Leser möglicherweise zusätzliche Informationen geben, für das Gesamtverständnis dieses hinreißenden kleinen Romans allerdings dürften sie allenfalls zu vernachlässigende Marginalien sein.
Das Buch ist ab 10. August in allen guten Buchhandlungen zu bekommen. Es ist unser Buch des Monats und wird mit unserem Prädikat, dem Musenkuß (mit Sternchen) ausgezeichnet.
 
Thøger Jensen – „Ludwig“
Roman – Aus dem Dänischen von Gerd Weinreich
© 2018 Literaturverlag Droschl, 96 Seiten, gebunden, Schutzumschlag – ISBN 978-3-99059-018-8
18,- €
Weitere Informationen:  www.droschl.com