„Ach! – Die Venus ist perdü – Klickeradoms! – von Medici!“

„Ein Lied in Gottes Ohr“ von Fabrice Eboué

von Renate Wagner

Ein Lied in Gottes Ohr
(Coexister - Frankreich 2017)

Drehbuch und Regie: Fabrice Eboué
Mit: Fabrice Eboué, Guillaume de Tonquédec, Jonathan Cohen, Ramzy Bédia, Audrey Lamy u.a.
 
Keine Frage, daß gerade Frankreich eine Nation ist, die sich besonders mit multi-kultureller und multi-religiöser Problematik konfrontiert findet. Man versucht da gerne, im Kino komödiantisch Spannungen abzubauen und Good Will zu verbreiten. Der konservativ-französische Monsieur Claude, der auf der Kinoleinwand einen jüdischen, einen islamischen und (als Draufgabe) noch einen schwarzafrikanischen Schwiegersohn bekam und im Heimatland und dem Rest der Welt Millionen einspielte, war ein Beispiel dafür, daß es (zumindest an den Kinokassen – an sich war das Lustspielchen herzlich primitiv) gut ausgehen kann.
Der französische Komödiant Fabrice Eboué mit Migrationswurzeln hat sich in seinem Heimatland als scharfzüngiger Entertainer und als Filmemacher rund um Rassenprobleme einen Namen gemacht. Der religiöse Mix, den er sich für einen Film „Ein Lied in Gottes Ohr“ ausgedacht hat, hätte sogar vielversprechend geklungen. „Coexister“ – also nebeneinander existieren – ist der hoffnungsvolle Originaltitel, und man wäre bereit, jegliche Witze um einen Priester, einen Rabbi und einen Imam zu dulden, wenn die Sache halbwegs auf Niveau abgehandelt würde. Aber das ist leider so gar nicht der Fall, daß man kann die Verschleuderung des Themas nur tief bedauern kann.
 
Zu Beginn gibt es ein paar Einblicke in die Musikbranche, wie man sie sich gut vorstellen kann: Wer von den einzelnen Produzenten im großen Konzern keinen Hit bieten kann, möge sich als arbeitslos betrachten. Hauptdarsteller Fabrice Éboué spielt mit betröpfelter Miene jenen Nicolas Lejeune, der von seiner Frau verlassen wird (es war ja nur ein kleiner Kuß – aber bei genauem Hinsehen wohl doch Fellatio), der mit seiner überaktiven Assistentin Sabrina (Audrey Lamy – die neuen Französinnen sind ziemlich dürr und auf den ersten Blick unsexy, bis sie uns das Gegenteil beweisen) auf die hoffnungslose Suche nach Talenten geht. Man verzweifelt mit ihm, bis ihm der Erfolg singender Priester einfällt (die es wohl wirklich gegeben hat): Wie wäre es – politisch korrekt und zeitgeistig, das spielt ja auch mit – einen Priester, einen Rabbi und einen Imam zu einer „Boy-Group“ zusammenzumixen?
Nun, da hört man auch allerlei schreckliches Gesinge. Nur Priester Benoit (Guillaume de Tonquédec mit unglaublich glattem Gesicht, das sich am Ende als hintergründig erweist) hat wirklich eine schöne Stimme. Und Rabbi Samuel (Jonathan Cohen, herrlich larmoyant, bis er mit Hilfe von Kokain ausflippt) war ja für seine Gesangesstimme berühmt, bis ihm einmal eine Beschneidung mißlungen ist (ist ja auch eine sehr ungute Vorstellung… man sieht ihn mit blutbespritztem Gesicht) und er am liebsten als Einsiedler leben möchte.
Die beiden kämen ja nun in Frage. Fehlt der Imam, und ein echter gibt sich nicht dafür her. Moncef, der an sich in Nachtclubs singt (Ramzy Bédia darf die knalligsten, dümmsten, peinlichten Pointen setzen), würde nach einigem Kopfschütteln für Geld den Imam schon spielen. Freilich, als die anderen Kollegen zum Einstand ihre Segen singen, fällt ihm nichts ein als „Zum Geburtstag viel Glück“ auf Arabisch. Aber was soll’s…
 
Allein, daß der Imam kein echter ist, bringt schon das Gefüge ins Wanken. Dem Drehbuch fällt zu einer echten Auseinandersetzung der drei Männer absolut nichts ein. Was Moncef bei Radio-Interviews von sich gibt (seine Kenntnisse zum Judentum stammen aus dem de Funès-Film „Rabbi Jacob“), ist sagenhaft an Albernheit. Wenn der weinerliche Rabbi über ewige Opfer weint und Nico ihm versichert, er denke auch täglich an den Holocaust, aber der sei schließlich 70 Jahre her, stellt sich heraus, daß Samuel das Sterben der Schildkröten im Sinn hat… Und der Priester? Der ist ölig-salbungsvoll, bis Assistentin Sabrina so nachdrücklich ihre Blicke auf ihn wirft, daß er mit ihr im Bett landet. (Und offenbar auch dort mit ihr in Zukunft bleiben will.) Der „Imam“ trinkt Alkohol, ißt Schweinefleisch und ist ein Hurenbock. Und weil Samuel einfach zu depressiv ist, um aufzutreten, tut ihm Nico Kokain in sein Nasenspray. Aber dann…!
 
Man kann sich vorstellen, wie sinnlos dieser Film hin- und herschwankt. Daß die drei Männer nebenbei eine Show auf die Beine stellen, verwundert tatsächlich. Daß sie damit im Pariser „Olympia“ landen (neben der Carnegie Hall und der Albert Hall ja wohl der prestigeträchtigste Ort, um aufzutreten), hält man angesichts ihrer (für musikalische Leute) unterprächtigen Leistung für ausgeschlossen. Und übrigens – lustig ist das alles kaum…
Kurz, keine der drei Religionen kann sich mit den Exponenten des Films halbwegs vertreten fühlen. Peinlichkeit und Fremdschämen überwiegen. Daß am Ende allgemeine Harmonie herrscht, ist wertlos, weil es nie auch nur den Ansatz einer substanziellen Diskussion gegeben hat. Und dabei wäre die Idee so schön gewesen. Hätte jegliches Potential geboten. „Ach! – Die Venus ist perdü – Klickeradoms! – von Medici!“ würde Wilhelm Busch dazu sagen.
 
 
Renate Wagner