Sentimentalität durch Witz und Tempo abgefangen

„Mamma mia! Here we go again“ von Ol Parker

von Renate Wagner

Mamma mia! Here we go again
(USA 2018)

Regie: Ol Parker
Mit: Amanda Seyfried, Lily James, Cher, Pierce Brosnan, Colin Firth, Stellan Skarsgård, Christine Baranski, Julie Walters, Hugh Skinnerder, Josh Dylan, Jeremy Irvine u.a.
 
Kalokairi“ gibt es nicht – vielleicht kann man es deshalb als Inbegriff der griechischen Trauminsel nehmen, auf die alle zivilisationsmüden Europäer und Amerikaner auswandern wollen (man erinnert sich an das Stück / den Film „Shirley Valentine“). In „Mamma Mia“, dem Musical nach Abba-Gesängen, hat man dort die Amerikanerin Donna kennen gelernt, die für ihre uneheliche Tochter gleich drei mögliche Väter aus dem Hut gezaubert hat. Weil ein schlichter DNA-Test einfach zu unromantisch wäre, haben sich alle Herren schnell in die Rolle des liebenden Vaters gefügt… Außerdem hat Donna noch zwei Jugendfreundinnen, Tochter Sophie wollte heiraten – ja, das war so ungefähr der Inhalt des ersten „Mamma Mia“-Films vor zehn Jahren. Ein durchaus hinreißendes Musical, das weltweit über 600 Millionen Dollar eingespielt hat. Da mußte es ja eine Fortsetzung geben.
Die Probleme liegen eine Dekade später auf der Hand. Die Besetzung, damals schon alle (bis auf die beiden jungen Darsteller) nicht mehr jung, sind noch älter geworden, und eine demnächst 70jährige Meryl Streep ist wohl keine geeignete Hauptdarstellerin mehr für ein Musical. (Bei den Nebenrollen tut man sich da leichter.) Außerdem wurde Donnas Geschichte als Erwachsene ja schon im ersten Film erzählt.
Keine Frage, daß die Fortsetzung in den Grundzügen gänzlich simpel ist, aber sie wurde von Regisseur Ol Parker und Helfern sehr geschickt gestrickt. (Phyllida Lloyd, die den ersten Teil inszeniert ist, ist jetzt nur noch bei den Produzenten dabei.)
Obwohl es neuerdings viele und sehr erfreuliche Oldies-Filme gibt (das sind all die prachtvollen Schauspieler, die heute das sehr reife Alter erreicht haben), traut man sich bei einem Musical, wo alle immer wieder in Gesang und Tanz ausbrechen (und das äußerst gekonnt, schwungvoll und mitreißend auf gestrige Art und Weise), doch nicht, den Film darauf aufzubauen. Also stehen zwei junge Frauen im Mittelpunkt: Sophie, Donnas Tochter (wieder Amanda Seyfried), die aus dem Haus auf der Insel, in dem sie aufgewachsen wird, ein Hotel gemacht hat. Handlung: Alles rund um die Eröffnung, wo die „drei Väter“, die zwei Freundinnen der Mutter und ihr Verlobter auftauchen, mit einer Art „Überraschungsgast“ als sehr wirkungsvolle Draufgabe.
 
Aber der Film lebt von den Rückblenden, wo Lily James in den Rückblicken die junge Donna als so unwiderstehlich strahlendes Girl verkörpert, daß es absolut ihr Film wird. Wir erleben, wie sie von ihrem College direkt in die Welt geht, wie sie in Paris mit dem schüchternen Briten im Bett landet (der schlaksige, unbeholfene Hugh Skinnerder, der später Colin Firth ist), wie sie von dem sexy Skandinavier auf „ihre“ Insel übergesetzt wird (jung und blond und ziemlich unwiderstehlich Josh Dylan, später Stellan Skarsgård), und wie Sam (romantisch Jeremy Irvine, später Pierce Brosnan) ihre große Liebe hätte werden können, wäre er nicht zu seiner Verlobten zurückgekehrt…
Die alte Geschichte, die mit den jungen Darstellern so frisch wirkt, mixt sich mit der neuen, und da ist das gewohnte Personal, Mamas komische Freundinnen (darstellerisch schamlos und hinreißend: Christine Baranski und Julie Walters), die drei „Väter“, der Verlobte (Dominic Cooper), der Traum von einem eleganten mexikanischen Majordomus (Andy García), US-Komiker Omid Djalili als kritischer Grenzbeamter, ein Running Gag.
Und als absoluter Clou der Auftritt von Cher als exzentrische Großmutter: Obwohl alle Beteiligten die 18 Abba-Nummern prächtig singen und tanzen, Cher ist ja dann doch der Höhepunkt, zumal in ihrer Szene mit der wieder gefundenen späten Liebe…
Und natürlich Meryl Streep, ohne die es doch nicht geht und die am Ende, in der Kapelle bei der Taufe von Sophies Kind, der Tochter „erscheint“ … wenn man nah am Wasser gebaut ist, braucht man Taschentücher. Wie überhaupt der Sentimentalitäts-Level der Geschichte sehr hoch ist, aber doch immer wieder durch Witz und Tempo abgefangen wird, Regie und Choreographie leisten da erstklassige Arbeit.
 
Daß das Ganze zwischen Teenie-Film und Oldie-Film doch ein wenig in die Nostalgie pendelt, versteht sich, Abba ist ja auch von gestern. Aber, weil Qualität zählt, doch eigentlich unglaublich beständig. So wie Sommer und griechische Inseln. Und tolle Schauspieler. Ja, die Fortsetzung ist gelungen, wenn man keine zu hohen Ansprüche stellt.
 
 
Renate Wagner