Langsame Bilder, die vom Unrecht an den Aborigines erzählen

„Sweet Country“ von Warwick Thornton

von Renate Wagner

Sweet Country
Australien / 2017

Regie: Warwick Thornton
Mit: Hamilton Morris, Sam Neill, Bryan Brown, Ewen Leslie u.a.
 
Das ist mein Land“, sagt der kleine Aborigines-Junge zu dem alten weißen Mann. Der schüttelt den Kopf: „Nicht mehr“, sagt er. Und das ist die Geschichte.
Seit die Weißen Ende des 18. Jahrhunderts nach Australien gekommen sind, haben sie diesen Kontinent in Besitz genommen. Das ging – so wie in den USA – nur, indem man die einheimische Bevölkerung verdrängt, unterdrückt und so weit wie möglich ausgerottet hat. Das ist ein Teil ihrer Geschichte, den man weder in Australien noch in den USA gerne hört. Aber die politische Korrektheit hat auch ihr Gutes – sie arbeitet die so sorglich verschwiegenen Verbrechen auf.
Dieser Film, der extrem langsam läuft und die australische Landschaft mit ihrer roten Erde, ihrem Steppenboden, ihrer Strenge, ihrer gnadenlosen Weite (nein, kein touristisch attraktiver Ayers Rock) atmosphärisch stark mitspielen läßt, erzählt eine Geschichte, die in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts in Alice Springs spielt. Der Western-Charakter ist in den Anfangsszenen, die das harte Leben hier reizlos auspinseln, unverkennbar.
 
Aber Regisseur Warwick Thornton zeigt auch eine von den Weißen hart und verächtlich behandelte einheimische Bevölkerung, die in ihrem eigenen Land wie verloren wirkt. Sam Kelly (Hamilton Morris), der Aborigine, der für den Prediger Fred Smith (Sam Neill) arbeitet, hat eine Frau, Lizzie (Natassia Gorey Furber), die für die Männer hier Freiwild ist. Dennoch erschießt er den brutalen Harry March (Ewen Leslie) nicht aus Rache für dessen Gewalttaten, sondern aus Selbstverteidigung. Was natürlich eine Welle von Haß und Gewalt hervorruft… Dennoch hat man nie das Gefühl, einen dramatischen „Reißer“ zu sehen, vielmehr geht es um eine Gesichte, die menschlich schwer unter die Haut geht.
Bryan Brown (den man noch immer aus den „Dornenvögeln“ in Erinnerung hat) spielt Sergeant Fletcher, den Geiferer, der sich auf Sams Spuren setzt und ihn schließlich vor Gericht zerrt. Die Verhandlung verläuft ebenso überraschend wie beeindruckend, als der Richter durchaus bereit ist, die Sache nüchtern zu betrachten und Harry Notwehr zugesteht und freispricht – das wirkt wie ein Hoffnungsstrahl. Doch er hat die Rechnung ohne die Lynchjustiz der Bevölkerung gemacht.

Wer weiß, wie die auf ein Minimum zusammengeschrumpften Reste der einheimischen australischen Bevölkerung, die Aborigines, heute noch behandelt werden, der weiß, daß es ihnen nichts bringt, wenn ein aufrechter Filmemacher einen aufrechten Film dreht, den wieder nur das Fähnlein der Aufrechten ansehen wird. Dennoch ist es wichtig, daß es ein Dokument dieser Art gibt, das von der Einsicht in begangenes Unrecht und Verbrechen (das einem Völkermord gleich kommt) zeugt.
 
 
Renate Wagner