Doppelausstellung in der Kunsthalle Emden

Stephan Balkenhol. Skulpturen - Auferstehungen. Meisterwerke aus der Sammlung

von Jürgen Koller

Doppelausstellung in der Kunsthalle Emden
 
Stephan Balkenhol. Skulpturen
Auferstehungen. Meisterwerke aus der Sammlung
 
Mit der Ausstellung des Bildhauers Stephan Balkenhol verabschiedet sich nach elfeinhalb Jahren und 31 realisierten Ausstellungsprojekten Dr. Katharina Henkel als festangestellte Kuratorin der Kunsthalle Emden. Zu den erfolgreichsten Ausstellungen, die sie kuratierte, gehörte die Ende Mai 2018 mit 85.000 (!) Besuchern zu Ende gegangene Schau „The American Dream“.
Wie in jedem Sommer ist parallel eine umfangreiche Auswahl aus dem Bestand der Kunsthalle zu sehen. Dr. Stefan Borchardt, Direktor der Kunsthalle, hat sie in diesem Jahr als eigene Ausstellung unter dem Titel „Auferstehungen“ konzipiert. Ihm war wichtig zu zeigen, wie nach dem Ende des 1. Weltkrieges Künstlerinnen und Künstler die traumatischen Erlebnisse in den Schützengräben und an der Heimatfront thematisierten, die gesellschaftlichen Umbrüche nach dem November 1918 aufarbeiteten, aber auch die Flucht in die Natur und in das Privatleben bis hin zur Entwicklung neuer Utopien reflektierten. Zu sehen sind Werke der Klassischen Moderne aus der Sammlung der Kunsthalle, u.a. Corinth, Goetz, Grosz, Heckel, Mueller, Pechstein (s.u.), Scharl,Schmidt-Rottluff, Wiegers - nur Werke von Dix und Beckmann wurden von anderen Häusern ausgeliehen.
 
Stephan Balkenhol, Jahrgang 1957, gehört zu den bekanntesten Bildhauern Deutschlands. Obwohl er auch in Bronze arbeitet und auf ein umfangreiches grafisches Werk verweisen kann, sind seine in mehr als drei Jahrzehnten aus Holz gehauenen, oftmals farbig bemalten Figuren zu seinem Markenzeichen geworden. Das Studium (1976 -1982) an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg bei dem abstrakt arbeitenden Ulrich Rückriem.*1938, beeinflußte Balkenhol dahingehend, daß er der Abstraktion als Wurzel seines Schaffens treu blieb. „Seine größte konzeptuelle Leistung ist das Erfinden eines einfachen Mannes mit weißem Hemd, schwarzer Hose und schwarzen Schuhen, den er vereinfacht und typisiert über Jahrzehnte hinweg variiert wiederholend durchspielt.“ (K.Henkel) Die formale Grundstruktur der Figuren bleibt in ihren Proportionen und des Kontraposts dabei stets gleich. Balkenhols Männer und Frauen blicken mit lakonischer Miene in die Ferne und bleiben in ihrer dargestellten Alltäglichkeit anonym und rätselhaft: „Meine Skulpturen erzählen keine Geschichten. In ihnen versteckt sich etwas Geheimnisvolles. Es ist nicht meine Aufgabe, es zu enthüllen, sondern die des Zuschauers, es zu entdecken“, so der Bildhauer. Solch ein Rätsel gibt auch der „Pirat“ auf - ein Seeräuber in unserer Zeit? Doch so abwegig ist das nicht, es sei an die somalischen Piraten erinnert, die noch vor wenigen Jahren große Container-Schiffe kaperten. Der äußere Habitus der von Balkenhol geschaffenen Figuren hat sich im Laufe der Jahre dahingehend verändert, daß Assoziationen mit der jüngeren Vergangenheit beispielsweise bei der Kleidung zu finden sind. Seine weiblichen Figuren tragen oftmals Etui-Kleider. Aber auch die Auseinandersetzungen mit der Antike oder der Gotik – Gewand-Figuren, die in Haltung und Gestik auf Maria (allerdings ohne das Christus-Kind) verweisen - sind belegbar. Das antike Fabelwesen einer „Sirene“ mit dem Unterkörper eines Greifs und dem Oberkörper einer schönen Frau als der großen Verführerin der Seeleute, nimmt im Werk Balkenhols eine besondere Position ein, wird doch das Motiv der Verführung in dem Relief „Frau im Wasser“ gedanklich bis in die Jetztzeit geführt – etwa zu Fellinis Film „Dolce Vita“. Aber alle Figuren und Reliefs behalten den nach innen gerichteten, introvertierten Blick bei.
Der Künstler hat die Eigenart, die Figur stets aus dem vollen Holz des Stamms (afrikanisches Wawa-Holz, Zeder oder Pappel) mit der Kettensäge grob herauszuschneiden, wobei grundsätzlich der untere Teil des Baumstamms als Ausstellungssockel verbleibt – die Figuren sind also nie aufgesetzt. Die rudimentäre Figur wird letztendlich mit Klüpfel, Stechbeitel oder Flacheisen bis zur Vollendung bearbeitet. „Bewußt lässt Balkenhol die Spuren des intensiven Entstehungsprozesses immer sichtbar. Nie wird das Material dem Motiv untergeordnet, stets bleibt es ein eigenständiges Thema. Die noch 'holztonige' Haut ist auch deshalb uneben, kantig, teils facettiert, rau, mitunter splitterig.“(K. Henkel) Weder die in der Ausstellung gezeigte dralle Figur, die an die Venus von Willendorf erinnert, noch ein gut proportionierter weiblicher Torso laden deshalb zu einer sanften Berührung ein.


Hermann Max Pechstein, Schilfbruch, 1921, Öl, © Pechstein Hamburg/ Töckendorf

Diese bemerkenswerte Ausstellung umfaßt 55 plastische Arbeiten - neben figürlichen Werken, die immer unter- oder überlebensgroß sind, wurden Tierskulpturen, Holzreliefs, aber auch ein Kreuzparavent und vielfältige druckgrafische Belegbeispiele in die Schau eingefügt. Bis auf wenige Ausnahmen sind alle Figurationen farbig gefaßt.
Stephan Balkenhol, dessen Werkverzeichnis mehrere tausend skupturale Arbeiten aufführt, hat in den letzten Jahren wichtige Einzelausstellungen in der Bundesrepublik – Wuppertal, Hanover, Baden-Baden, Hamburg, Duisburg, Ravensburg – realisiert, aber auch Präsentationen in Japan, Österreich, Frankreich und Russland.
 
Zur Ausstellung in der Kunsthalle Emden ist ein reich bebilderter Katalog erschienen - an der Museumskasse für 20 € erhältlich.
 
Die beiden Sommerausstellungen STEPHAN BALKENHOL und AUFERSTEHUNGEN sind bis zum 16. September 2018 zu sehen.
 
Kunsthalle Emden
Stiftung Henri und Eske Nannen und Schenkung Otto van de Loo
Hinter dem Rahmen 13, D-26721 Emden
Telefon +49(0) 4921 – 97 50 50
Info-Telefon +49(0) 4921 - 97 50 0
www.kunsthalle-emden.de
 
Öffnungszeiten:
Di. bis Fr. 10 – 17 Uhr, Sa./So./Feiertage 11 – 17Uhr
jeder erste Di./Monat 10 – 21 Uhr (Kunstabend)
 
Eintrittspreise:
Erwachsene 9 €, ermäßigt 7 €
jeder 1. Di./Monat (Kunstabend)17 - 21 Uhr, 5 €
Kind/Jugendliche bis einschließlich 15 Jahre frei