Von Kairo bis Kapstadt

National Geographic: Afrika. In 125 Jahren um die Welt.

von Johannes Vesper

Von Kairo bis Kapstadt
 
National Geographic: Afrika
 
Von Johannes Vesper
 
Die amerikanische Gesellschaft National Geographic wurde 1888 zur Förderung der Geographie gegründet und begründete mit ihrer Zeitschrift (National Geographic Magazine) den Fotojournalismus, berichtete über Länder und ihre Einwohner in den ersten 55 Jahren prinzipiell freundlich, über Kolonialkonflikte zwischen Buren, Briten und indigenen Stämmen Südafrikas erstmalig 1896, später über die Tierwelt Afrikas in freier Natur. 1914 wurden nach vorangegangenen Versuchen mit handkolorierten Schwarz-Weiß-Fotografien erstmalig einzelne Farbfotos in der Zeitschrift publiziert. Man benutzte damals das von den Brüdern Lumiére 1904 entwickelte Autochromverfahren , bei dem rot, grün und violett eingefärbte Kartoffelstärkekörnchen als Farbfilter in einer Silberbromid-Gelatine Emulsion wirkten.
Mit dem Dreischichtenfilm (1935 Kodak, 1936 AGFA in Wolfen) und der Entwicklung modernerer Kameras konnten dann auch schnelle Bewegungsabläufe wilder Tiere und Insekten in atemberaubenden Fotos dargestellt werden. Und mit kleinen, an den Tieren befestigten Kameras (crittercam) sowie den technischen Möglichkeiten der Digitalfotografie seit den 90er Jahren entstanden noch weit virtuosere Bilder von Fauna, Flora, Mensch und Umwelt.


Heuschreckenplage in Kenia - Foto © Gervas Huxley in den 1940er Jahren

Die frühen Schwarz-Weiß und Fotochromaufnahmen brauchen aber den Vergleich mit den moderneren großformatige Farbfotos dieses Bandes nicht zu scheuen und bieten dem Touristen zu Hause schöne Bilder. Grandios entfalten die alten Schwarz-Weiß Fotografien ihr künstlerisches Flair, und die Autochrom-Fotos erscheinen wie Gemälde. Die Heuschreckenkatastrophen in Kenia haben biblisches Ausmaß (Gervas Huxley in den 1940er Jahren). Markt- und Straßenszenen in Ägypten wird der eine oder andere selbst bei (Pauschal-) Reisen gesehen haben, wie die berühmten Farbtöpfe der Lederfärber in Fes oder auch das Bab Bou Jeloud (Blaue Tor) dort mit seiner Verkehrsregelung. Wie sich die Elefantenherde im Zakouma National Park, einem letztem Refugium in der Dornstrauchsavanne, abends im Tümpel tummelt, kann der Tourist in Afrika aber nicht regelmäßig selbst fotografieren (Foto Michael K.Nickols).


Verkehrsregelung am Bab Bou Jeloud - Foto © Johannes Vesper


Elefantenherde im Zakouma Nationalpark Tschad - Foto © Michael K.Nickols

Und zu den aktuellen Problemen des Kontinents findet man in dem Band wenig. Die Berichterstattung von National Geographic entsprach noch bis in die 1950er Jahre der damals verbreiteten kolonial-naiven Betrachtungsweise des dunklen Kontinents. Im Sudan fotografierte Horst Lutz 1985 das archaische Ritual einer Geisterbeschwörung bei den Nuba. Es gibt Fotos auch aus den Metropolen, aber die Probleme, die aus der dramatischen Bevölkerungsentwicklung entstehen, sind in dem Band nicht dokumentiert. Immerhin bekommt man bei Betrachtung des Fotos von 2007 eines über und über mit zahllosen Habseligkeiten und jungen Wanderarbeitern beladenen Lastwagen in der Wüste Nigers (Foto Pascal Maitre) eine Idee zu den Ursachen und Notwendigkeiten der afrikanischen Migration nach Europa. Bei dem Foto aus dem Jahre 2015 von Robin Hammond - Sägemühlenquartier vor der Skyline von Lagos - kann immerhin die Umweltproblematik und die soziale Kluft zwischen arm und reich erahnt werden. Das Wäschewaschen im öffentlichen Brunnen vor der riesigen modernen Moschee für 40.000 Gläubige in Kano (Nigeria) (Bild von Robert Moore 1956) hat Symbolcharakter. Die geistliche Versorgung der Gläubigen scheint deutlich prächtiger als ihre Wasserversorgung. Leider standen die letzten 3 Fotos für diese Rezension nicht zur Verfügung.
 
 
Sudan 1985 (beim Sanda-Festival reiben sich die Nuba mit Asche ein, um böse Geister fernzuhalten) - Foto © Horst Lutz

Wie sich der Kontinent wandelt und gewandelt hat, ist dem Bildmaterial des Bandes indes kaum zu entnehmen. Die 200 Fotos wurden aus der dreibändigen Ausgabe: National Geographic: „In 125 Jahren um die Welt“. Informativ sind die Kurzbiographien der Fotografen im Anhang. In Afrika leben heute mehr als fünfmal so viele Menschen wie 1950, mehr als doppelt so viele Menschen wie in der EU. Sie leben auf dem Land in Siedlungen, wie sie seit Urzeiten bestehen, und in Megastädten (Kairo 19 Millionen Einwohner, Lagos 18 Mill., Kinshasa 11 Mill. usw.), in denen eine funktionierende Infrastruktur für alle nicht vorhanden ist bzw. in denen sich Chaos, Armut und Umweltkatastrophen ausbreiten. Daß der Kontinent von Krisen, Kriegen und Krankheiten beherrscht wird, daß rohstofffinanzierte Regimes mit Korruption und dem Gewinn aus Gold-, Platin- und Uranabbau unter Ausbeutung von Bergarbeitern, mitarbeitenden Frauen und Kindern ihren Völkern steigende Militär- und sinkende Bildungsausgaben zumuten, daß unsere westlich-imperiale Lebensweise und die neokolonialistische, chinesische Machtpolitik auf Kosten der Afrikaner möglich wird, ist nicht Thema dieses opulenten Bildbandes. Auch in der kurzen Einleitung des weitgereisten Joe Yogerst findet sich dazu kein Bezug.

 

Werbung 1958 in National Geographic

 
National Geographic: Afrika. In 125 Jahren um die Welt.
Einleitung von Joe Yogerst
© 2018 Taschen GmbH, 311 Seiten, 38 x 27,5 x 4 cm, gebunden ISBN 978-3-8365-6873-9
50,- € 
Weitere Informationen:  www.taschen.com
 
Redaktion: Frank Becker