Words don’t come easy - oder doch?

Christoph Niemann – „Wörter“

von André Polozcek

Words don’t come easy - oder doch?
 
André POLOczek über „Wörter“ von Christoph Niemann
 
Wir leben in einem visuellen, auf Bilder fokussierten, Zeitalter. Diese Behauptung soll ohne weitere Belege am Anfang dieser Rezension stehen. Der Satz »Ein Wort sagt mehr als 1000 Bilder« , der anhand von Cartoons und Illustrationen so häufig seine Bestätigung findet, sei hier als Leitgedanke formuliert, denn es geht um Wörter UND Bilder. Und es gibt wohl keinen deutschsprachigen Illustrator, dem es besser gelänge, Wörter und Bilder zusammenzubringen als Christoph Niemann.
 
Dafür, daß Niemann einer der einflußreichsten und bekanntesten deutschen Illustratoren ist, gibt es einen beeindruckenden und sehr aktuellen Beleg: Die jüngste Ausgabe des US-amerikanischen Magazins „The New Yorker“ (vom 18.6.2018) zeigt eine Titel- Illustration von Niemann. Und dies ist keineswegs eine Premiere; weit über 20 mal hat der 1970 in Waiblingen geborene Illustrator schon die Frontpage des legendären Magazins gestaltet und wer das in seine Vita schreiben kann, sitzt fraglos im Olymp der geistvollen Grafik. Kein Wunder also, daß auch der Zürcher Diogenes Verlag – dem seit seiner Gründung die heitere und kritische Grafik am Verlegerherzen liegt – Niemann im vergangenen Jahr in seine Autorenriege aufgenommen hat. Die jüngste Niemann-Veröffentlichung trägt den simplen Titel »Wörter«.
 
Ich schäme mich fast ein wenig, daß mir nach dem ersten Blättern in dem über 350 Seiten starken Band dieser läppische Hit von F.R. David in den Sinn kam, der 1981 im Radio rauf- und runter gedudelt wurde: „Words don't come easy“. Vielleicht war das so, weil ich weiß, daß Niemann elf Jahre in New York gelebt hat, der Original-Titel „Words“ lautete und Niemann wahrscheinlich gleichzeitig Deutsch und Amerikanisch denkt. Der Band wurde aus dem Amerikanischen von Kati Hertzsch übersetzt. Daß er diesen Hit als Elfjähriger gehört hat, ist ziemlich wahrscheinlich. Und meine Scham war nicht ganz so groß, weil ich nach begeistertem Weiterblättern sogleich dem Schlagertext widersprach und dachte: „Words can come easy!“ - ja, Wörter können leicht daherkommen. Es muß sich nur einer finden, der das passende Bild zu dem jeweiligen Wort bzw. Bilder zu dem jeweiligen Wortpaar findet.


Glück finden mit Christoph Niemann - © Christoph Niemann 

 
Und genau da gibt es keinen Besseren, als Christoph Niemann. Er weiß, wie das geht: Sprachlich denken und grafisch handeln. Das macht „Wörter“ zu einem echten Nachschlagewerk für Illustratoren, deren Aufgabe häufig darin besteht, aus 1000 Worten ein Bild zu machen. Auf jeder Seite ein Wort und ein dazu passendes Bild. Wer immer schon ein Wörter- und ein Bilderbuch in einem haben wollte – sei es, um Platz im Regal zu sparen, oder sei es, um Kindern Lesen und Bildergucken gleichzeitig beizubringen– kommt an diesem Buch nicht vorbei. Illustratoren und Illustratorinnen werden den Index besonders zu schätzen wissen. Von A - wie „aber“ bis z wie „zwischen“, hier werden sie fündig, wenn sie zum Beispiel nach einer grafischen Umsetzung für das Fragewort „wann“ (da kratzt sich die die Nur-Kopf-Uhr am Kopf) oder einfach nach „Glück“ suchen. Die Liste großartiger Bildfindungen ließe sich hier beliebig verlängern. Aber, wie eingangs festgestellt, sagt ein Bild mehr als 1000 Worte. Und so will ich hier – bevor ich anfange zu langweilen – nur diese Bilderbuchempfehlung aussprechen:

Christoph Niemann – „Wörter“
Aus dem Amerikanischen von Kati Hertzsch
© 2018 Diogenes Verlag, 352 Seiten, Hardcover Pappband, 15,2 × 17,8 cm – ISBN 978-3-257-02158-5
€ (D) 22.00 / sFr 30.00*
Weitere Informationen: www.diogenes.ch