Zech-Kinski war gestern Heute gilt Stankovski

„Das große Testament des François Villon“ von Ernst Stankovski

von Frank Becker

Zech-Kinski war gestern
Heute ist Ernst Stankovski
 
Wuppertal/Wien - Solche wie ihn gibt es nur noch in ganz geringer Zahl. Der große Wiener Burgschauspieler und Kabarettist Ernst Stankovski, Mime und Sprachkünstler von Gnaden, riß ein begeistertes und ergriffenes Publikum bei seinem Gastspiel im Rex-Theater mit seiner delikaten Übertragung von „Das große Testament des François Villon“ mit Charme, Witz und brillanter Interpretation hin.
 
Jahrzehntelang galt der Elberfelder Lyriker Paul Zech neben Küchler und Ammer als der Übersetzer der Werke des legendären Villon. Vor 23 Jahren hat sich Ernst Stankovski der Texte und Balladen, sowie der verfälschten Biographie des gelehrten Vaganten aus dem Frankreich des 15. Jahrhunderts angenommen, seine neue Übertragung in Buchform veröffentlicht, die Balladen für Gitarre vertont und als Solo-Programm auf die Bühne gebracht. 1982 erstmals aufgeführt, beeinflußte das Programm in 10 Jahren erfolgreicher Tourneen das Villon-Bild nachhaltig. Jetzt, aus Anlaß seines 75. Geburtstages im Juni, hat Stankovski noch einmal „seinen“ Villon aufgenommen. Das Rex-Theater konnte sich einen der raren Auftritte sichern.
 
Ein paar Strohballen, ein Stuhl, ein einfacher Tisch mit Kerze, Papier und Schreibzeug, ein Krug - dann aus dem Dunkel ein gealterter Villon, verwahrlost, heruntergekommen, in schlecht geflickter Kleidung mit schütterem, strähnigem Haar, doch mit messerscharfem Verstand. Stankovski gibt diesen an Leib und Seele gebrochenen Skeptiker, den in die Jahre gekommenen wortgewaltigen Kritiker und von den Menschen enttäuschten Dichter mit Bravour, schlüpft in dessen Haut - ist Villon. Ob „Über die Torheiten der Liebe (Ich will ab heute keinem Weib mehr trauen - Glücklich ist der, den die Liebe verschont)“, ob das Rezept, nach dem in „Über die Verleumder“ die Ehrabschneider gesotten werden sollen oder in der Ballade „Von der dicken Margot“, hier zeichnet ein genialer Schauspieler und faszinierender Mensch kraftvoll das dichte, dramatische Bild eines schillernden Charakters. Dieses Portrait des mehrfach dem Henker entgangenen Mannes, eines bitteren Spötters und humorvollen Satirikers ist eine Delikatesse, die Aufführung ein Abend für Connaisseurs.
 
Ernst Stankovskis Buch ist vergriffen, doch kann man ihn mit dem Villon-Programm auf einer CD hören, der ein informatives 20-seitiges Booklet beigegeben ist: „Das große Testament des François Villon“ (kip records, kip 6017 - LC 06949) oder live am 15. Juni, 20 Uhr noch einmal im Düsseldorfer Savoy-Theater, Graf-Adolf-Str. 47.
 
Frank Becker, 26.4.2003