Verboten? Erlaubt? - Wer entscheidet?

„The Cleaners“ von Moritz Riesewick und Hans Block

von Renate Wagner

The Cleaners
(Dokumentarfilm, Österreich 2018)

Gestaltung: Moritz Riesewick und Hans Block
 
Die sozialen Medien sind im Leben jedes einzelnen (wo jedes Schulkind in sein eigenes Smartphone starrt) so verankert, daß man eigentlich kaum darüber diskutieren bräuchte – jeder weiß aus eigener Erfahrung Bescheid.
Da sind einerseits die Übermächtigen, die uns mit Daten überschütten, die unsere Daten illegal abziehen und die uns letztendlich, denn darum geht es immer, etwas verkaufen wollen. Und da sind auf der anderen Seite die Ohnmächtigen, die meinen, man müsse doch etwas gegen die Auswüchse unternehmen können, sie dämmen, teils unterbinden… worüber man aus eigener Erfahrung letztendlich nur müde lächeln kann.
Dennoch wird es versucht. Wenn im Netz, von IS eingestellt, genüßlich die Hinrichtung eines Menschen (Kopf ab, schaut alle zu) gezeigt wird, wenn man bei Kinderpornos die unglaubliche Gewalt mit ansehen kann, die Kindern geschieht – dann wachen ja wohl auch Facebook, YouTube und Twitter auf. Sie haben ihre so genannten Content-Moderatoren – einerseits zur Beobachtung, andererseits auch mit der „Lizenz zum Löschen“. Da sitzen sie, lassen die täglich neuen Beitrage an sich vorbei ziehen: „Ignore, ignore, delete…“
Was automatisch den Empörungsschrei auslöst – Zensur! Unterdrückung von Meinungen! Auch: Künstlerische Freiheit!
 
Hans Block und Moritz Riesewieck haben für ihren vom ORF mitfinanzierten Film „Cleaners“ nun jene Menschen aufgesucht und befragt, denen die heikle Aufgabe der „Säuberung“ übertragen wird. Und das sind, zu unserer ersten Überraschung, nicht – wie man es erwarten würde – hochgestochene Intellektuelle aus Europa oder Amerika. Das sind Menschen aus Manila („Outsourcing“, dort ist es billiger…), und sie wirken wie brave Hausfrauen und simple Geschäftsleute, nichts an ihnen ist „überhochmetzt“, wie die Juden so schön sagen. Aber die zweite Überraschung: Sie sind nicht nur intelligent, sie zerbrechen sich auch ungeheuer den Kopf darüber, was sie da tun und was sie entscheiden. Und manche Frauen tragen das, was sie im Netz sehen, wie eine schwere Last auf sich.
Und nun hört man sie und ihre Überlegungen und Erfahrungen, man hört auch Diskussionen im amerikanischen Fernsehen und im amerikanischen Senat, wo man teilweise noch immer sehr „moralisch“ ist, man hört wirklich leeres Gerede von Zuckerberg, man überlegt mit den Leuten, wie weit das Ausstellen von Genitalien in unserer liberalen Welt ein Recht ist… aber muß man auch „sexual intercourse“ öffentlich machen?
Und wie steht es um das Recht der Einzelnen, ob man denjenigen mag oder nicht? Da gibt es ein Bild von Donald Trump, nackt, mit winzigem Penis. Satire („Kunst“?) oder Beschmutzung eines Menschen (Machtmißbrauch, weil man es im Netz straflos kann)? Weg, wird beschlossen. Die „Künstlerin“ reklamiert – das sei Kunst, ihr Kundenkreis käme aus dem Internet, sie fühlt sich geschädigt.
 
Ja, und warum eskaliert alles dermaßen im Netz? Weil es so viel künstliche „Aufregung“ gibt, daß man diese (wie eine schädliche Dosierung) immer mehr steigern muß, um überhaupt noch Aufmerksamkeit zu erregen. Wie groß ist die Gefahr, Gewalt zu glorifizieren, nur um noch mehr „Followers“ zu bekommen?
Was ist das Resümee? „It is so easy to publish“ in unserer Welt. Und im Namen der Demokratie wird alles zugelassen – es sei denn Regierungen wie die Türkei, denen man dann „Meinungsterror“ nachruft, verlangen die Löschung von einzelnen Inhalten. Die sind aber dann regierungskritisch? Ja, was soll man sagen: Facebook hat große geschäftliche Interessen in der Türkei. Ja, da wird schon einmal auf Verlangen gelöscht… wer hätte das gedacht.
Und wie steht es überhaupt mit der politischen Agitation? Rechts, links, katholisch, islamisch? Erlaubt? Wo verläuft die Grenze zum Terrorismus? Wer entscheidet?
Am Ende schwirrt dem Zuschauer der Kopf. Und wir wissen, der Zauberlehrling hat es übertrieben, wir bekommen die Dinge nicht mehr in den Griff. Aber anders als in Goethes Gedicht gibt es keinen alten Hexenmeister, der hier Ordnung schafft. („In die Ecke, Besen, Besen! / Seids gewesen. / Denn als Geister / ruft euch nur zu seinem Zwecke, / erst hervor der alte Meister.“)
 
 
Renate Wagner