Tasso auf Turnschuhen

Goethes „Torquato Tasso“ vor peinlich leerem Haus im Remscheider Teo Otto Theater

von Frank Becker

v.l.: Thomas Braus, Julia Wolff, Anja Barth - Foto: Wuppertaler Bühnen

Tasso auf Turnschuhen
 
Das Ensemble der Wuppertaler Bühnen hatte mit Goethes „Torquato Tasso“
vor peinlich leerem Haus im Remscheider Teo Otto Theater seine aktuelle
Auswärts-Premiere.
 
Es war schon traurig, sehen zu müssen, wie wenig Interesse das Remscheider Publikum der von der Lokalpolitik so heftig beschworenen Kooperation seines Stadttheaters mit den Bühnen der Nachbarstadt bei der Remscheid-Premiere des „Torquato Tasso“ entgegenbrachte. Vor halb leerem Saal und in Abwesenheit der politischen Remscheider Stadtspitze (Wuppertals OB Peter Jung war selbstverständlich mit Gattin erschienen) bot das motivierte Ensemble trotz dieses Affronts unter der Regie seines Intendanten Gerd Leo Kuck eine gelungene Strichfassung des etwas kopflastigen bissigen Gesellschaftsstücks ab.
Kuck entlarvt den Poeta laureatus Torquato Tasso, der am Hof des klugen Herzogs von Ferrara (elegant überlegen Frederik Leberle) sein privilegiertes, wenn auch sozial isoliertes Dichterleben fristet, als nur scheinbar bescheidenen weltfremden Träumer, der in larmoyanter Rechthaberei an der Lebenswirklichkeit scheitert. Thomas Braus, Wuppertaler Mimen-Hansdampf in allen Gassen, gab dieser bedauernswerten Figur eine einprägsame Gestalt, welche – nicht nur modisch völlig neben der Spur - bei der Gratwanderung zwischen Erhabenheit und Lächerlichkeit einen starken Drall zum Lächerlichen bekam. Damit löst die Inszenierung das Bild vom edlen Dichter (1544-1595), dessen Leben und Hauptwerk „Das befreite Jerusalem“ Goethe kannte, ironisch auf.
 
Die von Tasso verehrte Leonore von Este (kapriziös Anja Barth) sagt wohl von ihm: „Ein edler Mensch zieht edle Menschen an“, doch im Gegensatz dazu nimmt sie ihn, scharf getrennt durch Standesgrenzen, ebenso wenig ernst wie ihr Alter Ego in Kleid und Kaprice Leonore Santivale (Julia Wolff). Dass die hitzige Auseinandersetzung Tassos, mit Staatssekretär Montecatino, den Georg Lenzen brillant als machtbewußten, doch konzilianten Kleingeist gab, im Stubenarrest für den gekränkten Heißsporn gipfelt, ordnet Tassos Stellung endgültig ein. Ein Bonbon der darauf folgende Dialog Sanvitale/Tasso, der Braus und Wolff in komödiantischer Höchstform zeigte, welche sich im Monolog Tassos inspiriert fortsetzte.
Braus zeichnete konsequent den Jammerlappen, dem der Lorbeer zur Dornenkrone wird, der sich mit der Füllfeder (aha!) selbst verletzt und sich, nachdem er hochfahrend seine Freiheit reklamiert hat, erfolglos an das unwürdige Dasein bei Hof klammert. Er ist draußen.
Ab 24. Mai ist die Inszenierung im Wuppertaler Schauspielhaus zu sehen.
 
Frank Becker, 8.5.06