Mit einem Buch ist man nie allein.

„Der Buchladen der Florence Green“ – von Isabel Coixet

von Renate Wagner

Der Buchladen der Florence Green
(The Bookshop - GB, Spanien 2017)

Regie: Isabel Coixet
Mit: Emily Mortimer, Bill Nighy, Patricia Clarkson, Honor Kneafsey, James Lance u.a.
 
England nach dem Krieg, in den auch dort stickigen Fünfziger Jahren. Hardborough, ein kleiner Küstenort in Suffolk, nördlich von London. Dorthin kommt Florence Green, eine Frau in mittleren Jahren, deren Gatte im Krieg gefallen ist. Sie hatten sich einst in einer Buchhandlung kennen gelernt, Lesen war die gemeinsame Leidenschaft der beiden, nun möchte sie in Hardborough eine Buchhandlung eröffnen, egal, ob die Menschen das dort mögen. Weil sie an Bücher und das Lesen glaubt.
Nun, wie Romane (diesem liegt ein Bestseller von Penelope Fitzgerald zugrunde, „The Bookshop“) eben so laufen: Daß kleine Orte von einer mächtigen „Dorfkaiserin“ tyrannisiert werden, mag vorkommen. Auch daß sich nur ein einsamer alter Herr, über den so viel geklatscht wird, für Bücher interessiert und ein Verbündeter von Florence wird, kann sein. Aber wenn dann ein kleines Mädchen namens Christine, das Bücher eigentlich nicht mag, fest entschlossen ist, sich im Laden von Florence ein bißchen Geld zu verdienen, ihre Hilfe aufdrängt und dann (kuschel, kuschel) zur liebevollen Bezugsperson wird… das gibt der Handlung dann jenes Hautgout, das eigentlich von betulichen englischen Fernsehserien ausgeht. Und da die Sentimentalität ebenso wenig ausbleibt wie die vordergründig gezeichnete Bosheit und Bösheit der Mitmenschen… ja, das läßt die Geschichte in der sensiblen, aber keine Klischees scheuenden Regie der Spanierin Isabel Coixet doch nur auf einem mittelmäßigen Level laufen, wo Kitsch einigen Raum erhält.
Auch wenn die immer geschätzte Emily Mortimer als Florence Green das zwar tapfere und entschlossene, aber letztlich seelenvolle Hascherl spielt, und wenn die an sich köstliche Patricia Clarkson als mächtige Dame Violet Gamart, die die Gegnerin haßerfüllt vertreibt, ohne Ironie wie böse Hexe im Märchen daher kommt… dann ist das Routine. Die flotte Dreizehnjährige (Honor Kneafsey als Christine) ist ohnedies das Fleisch gewordene Klischee des aufgeweckten Teenagers.
 
Aber der Film hat doch zweierlei zu bieten, das ihn letztendlich über den Durchschnitt hinaushebt. Da ist erstens Bill Nighy als Edmund Brundish, der innerlich zerstörte alte Herr, der wünschte, Florence früher begegnet zu sein und der sich ihretwegen (natürlich chancenlos) mit Mrs. Gamart anlegt, weil diese kleine Literaturliebhaberin ihm den Glauben an die Menschen wieder gibt – das ist wieder einmal die hohe Schule der winzigsten darstellerischen Nuancen, die ohne Worte alles sagen. Das ist einfach großartig, stellenweise atemberaubend anzusehen.
Und zweitens geht es in diesem Film um das Lesen, um die Erkenntnis, daß „a good book“ etwas ist wie „life beyond life“, das Wissen, was gute Bücher (der Kampf um „Lolita“ damals!) bewirken mögen, der Glaube an eine geistige Welt neben dem Alltagssumpf, der in der englischen Kleinstadt hier besonders sumpfig und menschlich schmutzig daherkommt.
 
Die Geschichte wird von einer Frauenstimme aus dem Off erzählt, man weiß nicht, wer hier so viel über diese Florence Green weiß. Am Ende löst sich das Rätsel, wer hier berichtet, logisch und liebevoll. Man mag Florence aus dem Städtchen vertrieben haben (das ist der Dorf-Hexe doch gelungen) – den Sieg über sie haben die bösen Mächte nicht davon getragen. Nehmen wir den Film als ein Hohelied auf die Bücher. Zwischen Kindle, Smartphone und Gar-nicht-mehr-Lesen im alten Sinn mag das die Botschaft für heute sein. Mit einem Buch ist man nie allein.
 
 
Renate Wagner