Bye, bye Jugend!

Die heutere Ehe-Revue „Höchste Zeit!“ im TiC-Theater

von Frank Becker



Bye, bye Jugend!
oder
Ohne Liebe geht es (doch) nicht
 
„Höchste Zeit!“ - Eine Revue
von
Tilmann von Blomberg, Carsten Gerlitz und Bärbel Arenz
 
Regie: Ralf Budde - Musikalische Leitung: Stefan HüfnerBühne: Jan BauerdickKostüme: Noëlle-Magali Wörheide - Choreografie: Natascha Neugebauer – Maske: Heike KehrwischFotos: Martin Mazur
Besetzung: Die Karrierefrau: Dorina Joch / Elisabeth Wahle* – Die Hausfrau (57): Karolin Hummrich* / Kerstin Trant – Die Vornehme (55) Sabine Henke* / Ina Verhoff – Die „Junge“ (42) Hannah Dickel / Annika Tahiri* - Stime des Spiegels: Michael Baute  (*Premierenbesetzung)
 
Erinnern sie sich noch an „die Junge“, „die Karrierefrau“, „die Vornehme“ und „die Hausfrau“, die sich in der turbulenten Wechseljahre- Revue „Heiße Zeiten“ vor ein paar Jahren am Flughafen kennengelernt haben? Die vor zweieinhalb Jahren in TiC-Theater mit großem Erfolg präsentierte Geschichte hat, wieder unter Ralf Buddes bewährter Regie, eine Fortsetzung bekommen, denn jetzt will unsere Karrierefrau unter die Haube, weil sie findet, daß es „Höchste Zeit“ ist. Das finden mehr oder auch weniger auch ihre drei Freundinnen, die sie als Brautjungfern (ein köstlicher  Ausbund an Scheußlichkeit die Kleider von Noëlle-Magali Wörheide) eingeladen hat. Apropos: „Jungfern? Ich seh´ hier keine!“. Zum Hochzeits-Termin bringt jede ihr Päckchen und Smartphone mit, was zu allerlei Bekenntnissen, Entschlüssen, Streit-Telefonaten, altersangepaßt deftigen Scherzen („Gibt’s Viagra nicht auch schon für Frauen?“ – „Ja, und was soll das machen? Blind?“) Kalauern und vielen ironisch umgetexteten Songs aus der Pop- und Schlagerliteratur und führt. Der sonor kommentierende Spiegel im Zimmer (Michael Baute) ergänzt das Ringen des archetypisch femininen Quartetts bei seinen Auseinandersetzungen mit dem Ehestand und der Tagesform - im Zentrum natürlich die Frau, ihre nicht immer befriedigten Bedürfnisse, Problemzonen und Stärken.


Karolin Hummrich - Foto © Martin Mazur
 
In der Luxussuite eines Hotels mit Blick auf die Kulisse einer Großstadt müssen die drei „Jungfern“ erst mal die stockbesoffene und ein wenig aufgelöste Braut (Elisabeth Wahle) auf Vorderfrau bringen, die wie Cinderella auf Crack in der Kurve hängt, ihr die Angst vor dem entscheidenden Moment nehmen und gemeinsam versuchen herauszufinden, ob sie nun wirklich in der Nacht vor der Hochzeit mit jemandem guten Sex hatte - eventuell nicht mit ihrem Bräutigam?. „Höchste Zeit (The Shoop Shoop Song)“, „Prost (Rum & Coca Cola)“ und „Für immer und ewig (For Once In My Life)“ sind ein guter Einstieg in die Hitparade der witzigen Texte, die Bärbel Arenz auf die Originale gelegt hat und bei denen das Ensemble mit starkem Vortrag und Temperament punktet. Annika Tahiri hat in „Ich will (My Boy Lollipop)“ ein schönes Solo, Sabine Henke u.a. in „Zweisam einsam (The Rose)“ einen starken Auftritt (sie beherrscht souverän die Bühne, hat die bissigsten Pointen und ihr gehört das größte Stück des Erfolgs-Kuchens) und Karolin Hummerich rockt zum Vergnügen des Publikums eine fordernde Fassung von Chuck Berrys „Johnny B. Goode“: „Ich will noch mehr“ - inkl. Duck Walk.


v.l.: Annika Tahiri, Karolin Hummrich, Elisabeth Wahle, Sabine Henke - Foto © Martin Mazur
 
Choreographisch (Natascha Neugebauer) wie musikalisch gelungen sind die Ensemble-Nummern, darunter Wagners Hochzeitsmarsch „Treulich geführt“, „Ersatzteillager (Save Your Kisses For Me)“ und „Noch nicht Schicht im Schacht (Girls, Girls, Girls)“, – nicht nur da passiert auf der Bühne richtig was. Die vier Damen zeigten sich in bester Form und schließlich doch in Hochzeitsstimmung, als allen klar geworden ist, daß es ohne Liebe einfach nicht geht..
Daß aus der Karrierefrau schließlich doch eine glückliche Braut wird, die „Junge“ den entscheidenden Antrag macht, der ein „Ja“ zur Folge hat, die „Hausfrau“ den Job als Suppenköchin annimmt und die „Vornehme“ auch vornehm auf ihre verschobene Scheidung wartet (vorwiegend vom weiblichen Publikum sicher nicht ohne Grund bejubelt: „Scheidung betrachte ich als vorzeitige Haftentlassung.“) macht die Sache rund. Also: Obacht, meine Herren! Ein Stück für Frauen, in dem es auch ums Selbstbewußtsein und die Befreiung von bürgerlichen Zwängen geht, lehrreich aber auch für die Herren, die künftig vielleicht etwas genauer auf die Bedürfnisse ihrer Gattinnen schauen. Tip: auch das Programmheft von Hans-Willi Lukas und Ines Spilker aufmerksam lesen!
 
Weitere Informationen und Termine: www.tic-theater.de