Fettberg tobt!

Die „neue wuTh“ mit Alan Ayckbourns turbulenter Komödie

von Frank Becker

Silvia Munzon Lopez - Foto © Uwe Stratmann
Fettberg tobt!

Turbulente Komödie brillant inszeniert
 
Die heile Welt des kleinen Angestellten Wolfgang Fettberg (Thorsten Strauch) und seiner gehemmten Frau Andrea (Sabine Happe) ist eigentlich ganz in Ordnung. Na ja, er haut ihr manchmal auf die Finger, wenn sie nervös Nägel kauen will, aber sonst... Und es würde auch so geblieben sein, wenn nicht Marco Goede (Dirk Michael Häger) ein Verhältnis mit Fiona Förster (Petra Koßmann), der Frau seines Chefs, angefangen hätte...
 
Seitensprünge sind beliebtes Thema im Boulevard-Theater. Sie lassen sich wunderbar mit vielen klappenden Türen turbulent und aufregend inszenieren. Alan Ayckbourn ist einer der ganz großen Beherrscher dieses Genres. Und er ist bekannt dafür, dass er auf Sachen kommt, die anderen Autoren nicht einfallen. So auch bei „How the other half loves“, wie der Titel der jetzt vom Theater „neue wuTh“ im «Rex» aufgeführten völlig ver-rückten Komödie „Fettberg tobt!“ im Original lautet. Ayckbourns Idee, dabei die beiden lokalen Handlungsebenen, nämlich die Haushalte des hilflos überbemühten und völlig zerstreuten Frank Förster (Stefan Otto) mit seiner treulosen, ausgekochten Gattin Fiona und des großmäuligen Macho Marco und seiner von unerfüllter Hilfsbereitschaft geplagten  Thea (Silvia Munzón Lopéz) auf einer Bühne zusammenzulegen, ist originell, wenn auch nicht ganz neu. Regisseur Hans Werner Otto hat da innovativ noch kräftig eins drauf gesetzt und nicht nur beide Szenen, durch einen gedachten Strich getrennt, zugleich gezeigt. Er hat nicht nur beide Spielorte räumlich, sondern auch die zeitlichen Ebenen quasi dreidimensional simultan verschmolzen. Das klingt kompliziert – ist es auch, aber nur für die Darsteller. Der Zuschauer wird so geschickt durch dieses Tohuwabohu geführt, daß der Faden in keinem Moment reißt.
 
Also ganz einfach (und so alltäglich): Marco betrügt Thea mit Fiona, die Frank mit Marco betrügt. Als beim tumb-pedantischen Frank und beim überforderten Weibchen Thea berechtigtes Mißtrauen aufkommt, erfinden Marco und Thea Alibis – und die heißen Fettberg. Er will mit Wolfgang F. in der fraglichen Nacht getrunken und über Eheprobleme geredet haben. Sie behauptet, mit Andrea F. über die gleichen Probleme der armen Fettbergs gesprochen zu haben. Schön und gut. Doch haben beide nicht mit dem Helfersyndrom kalkuliert, das die betrogenen Gutmenschen in sich tragen und das von nun an im Versuch, die angeblich unglücklichen Fettbergs zu versöhnen, zu aberwitzigen Verwicklungen und Verwirrungen führt. Das Da und das Dort, sogar das Gestern und das Heute finden zur gleichen Zeit am selben Tisch statt. Da wird auch schon mal aus der „eigenen“ Dimension hinaus gegriffen und wie selbstverständlich die Requisite von nebenan benutzt. Raum für viele kleine ungemein witzige Pointen.
 
Sechs vortreffliche Schauspieler, denen man mit dem Begriff „Laien“ bitter Unrecht tun würde, haben dieses höllische Durcheinander von Lügen, Halbwahrheiten, Mißverständnissen und Neurosen souverän im Griff. Sie beherrschen Text und Libretto – ja, es wird auch nach Kräften und Farbskala a capella Doo-Wop, Rock und Pop gesungen –, Pointen und Requisiten elegant und mit so mitreißendem Humor, daß kein Auge trocken bleibt. Dirk Michael Häger gibt den Macho mit dem scheinbaren Selbstbewußtsein so saftig, daß man ihm glatt eine reinhauen möchte. Silvia Munzón-Lopéz löst als Thea in ihrer Hilflosigkeit dem Leben gegenüber und ihrer Unverstandenheit virulente Beschützerinstinkte aus, während man der von Petra Koßmann herrlich zickig gegebenen kapriziösen Fiona jeden Reinfall gönnt. Thorsten Strauchs geduldiger Fettberg läßt (mit der Wasserpumpenzange in der Hand) spüren, wie die Duldsamkeit langsam schwindet. Sabine Happe zeigt meisterlich, wie man mit ganz wenig Text, aber umso mehr Ausdruck und Körpersprache einen liebenswerten und arglosen Charakter umreißt. Stefan Otto schließlich gibt den unerträglich wohlmeinenden Verschlimmbesserer, der nichts begreift, aber sich in alles einmischt, überwältigend komisch.
 
Zusammen mit dem bis aufs Notwendigste reduzierten Bühnenbild, den im Gegensatz dazu üppigen Kostümen und analog dazu Wein und bunter Bier-Batterie in sämtlichen denkbaren Papageienfarben, beschert die brillante Inszenierung des Sprach-choreographischen  Kabinettstücks mit schrillen Farben und schrillen Situationen dem vom Aberwitz geschüttelten Zuschauer zwei ausgesprochen unterhaltsame Stunden, an deren Schluß manches zumindest farblich wieder ins Lot gekommen zu sein scheint. Aber es ist auch nicht ausgeschlossen, daß Fettberg noch mal toben könnte.
 
Weitere Vorstellungen im Rex-Theater am 8., 19., 23., und 30. März, am 11. April und am 10., 11., 14. und 15. Mai jeweils um 20.00 Uhr. Eine FrühStücks-Aufführung gibt es am Sonntag, dem 6. April um 13.00 Uhr ebenda. Karten unter Tel. 0202-441159.