Der übliche Kitsch blüht.

„Das Zeiträtsel“ von Ava DuVernay

von Renate Wagner

Das Zeiträtsel
(A Wrinkle in Time - USA 2018)

Regie: Ava DuVernay
Mit: Storm Reid, Oprah Winfrey, Reese Witherspoon, Mindy Kaling, Chris Pine, Levi Miller, Deric McCabe u.a.
 
Betrachtet man es genau, so ähneln sich alle Kinder-Fantasy-Bücher auf geradezu penetrante Art und Weise. Meist geht es um die Beziehung zu den Eltern, die auch oft verschwunden sind, und immer wieder reist man mit Hilfe von Feen in ferne Länder und Welten, um am Ende in einem triefenden Happyend zu landen: „A Wrinkle in Time“, ein berühmtes amerikanisches Kinderbuch von Madeleine L’Engle aus dem Jahr 1962, paßt genau in dieses Schema.
Die Verfilmung, die der Disney-Konzern nun auf den Markt bringt, ist einzig deshalb bemerkenswert, weil hier erstmals eine farbige Regisseurin (Ava DuVernay) ein Budget von über 100 Millionen Dollar anvertraut bekam, und weil die Besetzung klar macht, daß die Zeit des „weißen Kinos“ vorbei ist: Die Kinder sind farbig (Papa weiß, Mutter Afroamerikanerin) und asiatisch, die drei Feen eine Schwarze, eine Inderin, eine Weiße. Das Kino trägt der Multi-Kulti-Struktur des amerikanischen Alltags letztendlich Rechnung. Wenn dies nun glücklicherweise „normal“ ist, darf jede Kritik auch normal ausfallen, ohne in die Verdachtsfalle des Rassismus zu geraten.
 
Da haben wir also die 13jährige Meg Murry, die (in Gestalt von Storm Reid) sehr lieb, sympathisch, klug – und sehr traurig ist. Vor vier Jahren ist ihr Vater verschwunden, der Wissenschaftler Dr. Murry (Chris Pine). Meg ist sicher, daß er durch eine „Zeitfalte“ („A Wrinkle in Time“, wie der Titel des Buches lautet) ins Universum gelangt ist (die böse Nachbarschaft munkelt natürlich, er habe sich mit einer Freundin abgesetzt und die Familie verlassen). Aber die Mutter von Meg (Gugu Mbatha-Raw) und dem adoptierten kleinen asiatischen Sohn Charles Wallace (Deric McCabe) ist auch fest davon überzeugt, daß er nur im Zuge seiner wissenschaftlichen Arbeit verschwunden sein kann: „Gib die Hoffnung nicht auf“, predigt sie der Tochter. Und Meg legt sich heftig mit allen mobbenden Schulkollegen an.
Aber in solchen Büchern sind die Kinder die Problemlöser – und Feen die Helfer. Meg, Charles Wallace und der Schulkollege Clavin (Levi Miller), der in Meg verliebt ist, erleben zuerst eine herumschwebende, exzentrische Rothaarige (Reese Witherspoon, witzig, ganz jenseits ihrer Blondinen-Süßigkeit) – „Mrs. Whatsit“. Dann erscheint „Mrs. Which“ in Gestalt einer machtvollen, abenteuerlich hergerichteten Oprah Winfrey (mit glitzernden Augenbrauen unter der weißen Perücke und wahrem Tremolo in der Stimme), und „Mrs. Who“ in Gestalt der Inderin Mindy Kaling ist auch noch da. Sie bieten den Kindern an, die Reise des Vaters ins Universum nachzufahren.
Und schon ist man in den bunten Kunstwelten, wie sie sonst die Computerspiele bieten, grellgrüne Wiesen, noch grellbuntere Blumen, Zauberwesen, was immer Fantasy konventionellerweise zu bieten hat. Die Kinder dürfen fliegen – und dann kommt der übliche Kampf mit dem Bösen, die „Evil Energy“, die es zu besiegen gilt. Es gibt noch einen Komiker (Zach Galifianakis als „The Happy Medium“), bis man bei dem diabolischen „It“ gelandet ist (David Oyelowo) und böse, dämonische Bilder die Leinwand erfüllen – was soll man erzählen von all den zu erwartenden und prompt eintretenden konventionellen Wendungen, bis der verlorene Papa bärtig auftaucht.
 
Es wird ein bißchen zitiert, mit ironischer Angabe („Planing is essentiell. Churchill. British“), es werden wie stets die plattesten Weisheiten verkündet, zwischen den 13-, 14-jährigen gibt es die Teenie-Romanze mit den ersten schüchternen Küssen, der kleine asiatische Bruder gerät in die Fänge des Bösen… und am Ende sind alle wieder auf der Erde und glücklich. Das Universum strahlt. Der übliche Kitsch blüht. Alle umarmen sich und versichern einander, sich zu lieben (und Väter werden ermahnt, die Arbeit nicht wichtiger zu nehmen als die Familie).
Und Disney hat einen Kinderfilm, der Hollywood den Schritt weitergebracht hat, mit der Erkenntnis, daß die Welt nicht weiß ist. Mehr oder gar Besseres ist dazu aber nicht zu sagen.
 
Trailer     
 
Renate Wagner