Nur das Theater funkelt

Lore Stefanek inszeniert „Heisenberg“ von Simon Stephens

von Renate Wagner

Burghart Klaußner, Caroline Peters - Foto © Sebastian Hoppe

Akademietheater des Burgtheaters Wien
Gastspiel des Düsseldorfer Schauspielhauses

23.März 2018
 
„Heisenberg“
von Simon Stephens


Wenn das Burgtheater Caroline Peters schon nach Düsseldorf „ausleiht“, dann soll doch das Wiener Publikum sehen dürfen, was sie dort spielt. Schließlich hält man sie für eine der derzeit außerordentlichsten Schauspielerinnen – man muß nur bedenken, was Simon Stone in „Hotel Strindberg“ aus ihr herausgeholt hat. Und die Kritiken für ihren Auftritt in „Heisenberg“ von Simon Stephens in Düsseldorf waren ja auch enthusiastisch.
Außerdem reist ein Stück mit zwei Hauptdarstellern und einer Dekoration leicht  Und Leichtes wird auch noch versprochen – das Programmheft versichert uns, man habe es mit einer Screwball-Komödie mit Tiefgang zu tun.
 
Aber ist es das wirklich? Auch der Titel „Heisenberg“ wirkt etwas gewaltsam: Dabei kommt der berühmte Physiker gar nicht selbst vor wie in Michael Frayns Stück „Kopenhagen“ vor 20 Jahren. Es geht um seine „Unschärfetheorie“, nach welcher sich die Dinge verändern, wenn man sie beobachtet. Aber inwiefern paßt das auf die angebliche Komödie, die zumindest in der Inszenierung von Lore Stefanek nicht als solche erscheint?
Worum geht es? Wir bewegen uns in einem Mittelklasse-London, Alex Priest ist 75 und Metzger mit eigenem Geschäft, Georgie Burns ist nicht mehr ganz jung, aber jedenfalls entscheidend jünger als er, und offenbar Grundschullehrerin. Allein, wie sie sich den Alten auf einem Bahnhof aufgabelt, mit haarsträubend blöden Stories, die sich – man ist nicht überrascht – als lauter Lügen herausstellen, vermag man kaum zu glauben. Sein Versuch, nicht an sie anzustreifen, bleibt vergeblich, sie findet ihn in seinem Geschäft, über kurz oder lang sind sie im Bett, dann verlangt sie 15.000 Pfund von ihm, weil sie ihren Sohn in den USA suchen will, schließlich fahren beide gemeinsam dorthin… und das vage Happyend ist eher seltsamer Natur. Ja, sie haben sich an einander angenähert, bei aller Skepsis. Unschärfe? Ein neuer Alex unter Georgies Blick?
 
Schärfe liegt hingegen in der Inszenierung von Lore Stefanek. Die Geschichte ist nämlich in sich zutiefst unglaubwürdig, die Dialoge künstlich. Dergleichen kann man auf glaubhaft und natürlich zurechtbiegen, das wäre Aufgabe der Inszenierung, aber das Gegenteil geschieht: Offenbar dachte die Regisseurin, je schärfer und extremer sie das Verhalten ihrer Figuren ausstellte, umso stärker könnten ihre herausragenden Schauspieler brillieren. Ja, tun sie auch. Aber glaubt man deshalb die Geschichte, wenn die menschliche Dimension fehlt und nur Theater funkelt?
Stephens, von dem man zwischen „Motortown“ und „Wastwater“ schon Beispiele des echt harten britischen Theaters gesehen hat, schreibt zwar vor, die Bühne so leer wie möglich zu halten, charakterisiert die Schauplätze aber dennoch gänzlich verschieden. Ausstatterin Janina Audick schuf nur eine Wand mit wenigen Variationsmöglichkeiten, weshalb das Pärchen „im Bett“ dann vor dem fiktiven Tor der Fleischerei landet… Daß, wenn das Paar nach Amerika reist, eine alberne Verwandlung der Bühnenwände stattfindet, ist eher überflüssig. Aber das ist gar nicht so wichtig. Wichtiger wäre, daß man ehrlichen Anteil an den beiden Protagonisten nimmt, statt ihnen wie Tieren im Zoo zuzusehen. Sie führen ihre Gestalten vor, statt in sie hineinzuschlüpfen.
Da sprüht Caroline Peters die Exzentrikerin, die von einem Ton zum anderen springt, was fraglos „interessant“ ist, sie setzt ihre trockenen Pointen, läßt ahnen, daß im Hintergrund vielleicht eine verzweifelte Frau lauert, aber stellt am Ende nur Können aus. Und auch Burghart Klaußner, den man aus Hanekes „Das weiße Band“ und einigen deutschen Polit-Filmen kennt (im Mai wird er im Burgtheater im „Besuch der alten Dame“ den Alfred Ill an der Seite von Maria Happel spielen), spekuliert ein wenig mit der Verschlossenheit des alten Mannes, der dann auch mal spektakulär (und vordergründig) ausflippen kann, wenn er plötzlich „Rock around the clock“ singt und hüpft… der war auch einmal jung. Keine Frage, daß er es brillant macht (samt dem Mini-Kabinettstück, wie ein alter Mann halbwegs würdevoll aufsteht, wenn ihm eigentlich das Kreuz wehtut). Ja, die Schauspieler…
 
Und weil man den Wienern immer mit großen Schauspielern kommen kann, fragen sie gar nicht weiter, welches Stück sie spielen – Hauptsache, man kann ihnen dabei zusehen, wie gut sie sind.
 
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Renate Wagner