Nicht alles überzeugt

Lars-Ole Walburg inszeniert Anna Seghers´ „Das siebte Kreuz“

von Andreas Rehnolt

Foto © Ant Palmer

Beeindruckende Inszenierung des Romans
„Das siebte Kreuz“ in Oberhausen
 
Die Bühne im Theater ist als düster abschüssiges Hakenkreuz gestaltet.
Nicht alles überzeugt in der Inszenierung von Lars-Ole Walburg
 
Oberhausen - Im Theater Oberhausen erlebte Anna Seghers Roman „Das siebte Kreuz“ in der Inszenierung von Lars-Ole Walburg eine beeindruckende und zugleich bedrückende Premiere. Der Roman ist eine Beschreibung der deutschen Zustände in einer Zeit, in der das Unfaßbare noch auf Hoffnung stieß. Geschrieben hat sie ihn nach Ihrer Flucht aus Nazideutschland ab 1938 im Exil in Südfrankreich. Er wurde nicht zuletzt durch die US-Verfilmung mit Spencer Tracy im Jahre 1944 berühmt.
 
Die Zuschauer im Theater Oberhausen sind zunächst geblendet. Zahlreiche  Scheinwerfer strahlen grelles Licht in den dunklen Zuschauerraum. Das schmerzt zunächst, hat aber Sinn, denn die auf der als düster abschüssiges Hakenkreuz gestalteten Bühne ist das von den Nazis errichtete „Konzentrationslager Westhofen“, das dem Lager Osthofen bei Worms nachempfunden ist. Hier wurden von März 1933 bis Juli 1934 politische Häftlinge malträtiert, vor allem Kommunisten.
Seghers wollte zeigen, daß nicht alle Deutschen zu Nazis geworden waren und stellte in ihrem Roman die Frage nach den Möglichkeiten eines inneren Widerstands gegen die faschistischen Machthaber. Sieben Häftlinge fliehen gemeinsam aus dem Lager. Die unmittelbar danach einsetzende Hetzjagd dauert sieben Tage und Nächte. Sechs der Geflohenen werden wieder eingefangen. Einem einzigen, Georg Heisler, gelingt die Flucht.
 
In Oberhausen sind fünf Schauspieler auf der Bühne, und der Musiker Martin Engelbach, der den Soundtrack liefert, von dröhnenden Gewehrsalven über Hammerschläge für die Holzkreuze, die der KZ-Kommandant errichten läßt, bis hin zur Orgelmusik in einer katholischen Kirche. Vom Lager sieht man nichts im Bühnenbild von Maria-Alice Bahra, die Stationen auf der endlosen Flucht von Heisler werden mit minimalen Requisiten erzählt.
Schwierig, daß jeder der fünf Schauspieler mal Heisler ist. Dadurch hat man als Zuschauer nicht wirklich die Chance, mit dem Protagonisten mitzufühlen und mitzuleiden. Die für Seghers typische Erzählform ist auf der Bühne umständlich. Die Darsteller wirken oft nicht wie Akteure, sondern nur als Beobachter des mitunter schrecklichen Geschehens auf dem schmalen Hakenkreuz, daß im Verlauf der gut 100 Minuten durch Matsch, Blut und Tränen getränkt wird.
Heisler kriecht, stolpert, taumelt oder rennt während seiner Flucht und trifft immer mal wieder auf Menschen, die ihm helfen, aber natürlich auch auf Denunzianten und Personen, die Hilfe verweigern. Seine blutige Hand versorgt ein jüdischer Arzt, den ersehnten Schlaf während seiner einwöchigen Flucht findet er ausgerechnet bei einer Prostituierten, eine alte Frau schenkt ihm neue Kleidung.
Was anfangs für Lacher im Publikum sorgt, gerät im Verlauf des Abends zu einem eher peinlichen Running Gag. Walburg läßt einen der Schauspieler als den deutsch-polnischen Autor und Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki (1920-2013) Seghers Intentionen erklären. Dabei versucht der Mime die Sprache des jüdischen Literaten nachzumachen und scheitert natürlich daran. Diese Passagen könnte man durchaus aus der Inszenierung streichen.
 
Schade auch, daß eine kurze Szene im Hintergrund der Bühne fast übersehen werden kann. Da läßt der Regisseur unter dem von den KZ-Männern errichteten Holzkreuz Jesus, Maria, Maria-Magdalena und den Jünger Johannes auflaufen und anklagend die Hände erheben. Ein starkes, leises Bild in der oft extrem lauten Inszenierung.
 
Am Ende gabs langanhaltenden und verdienten Applaus für einen schweren Theaterabend, ein einprägsames Bühnenbild und gute schauspielerische sowie musikalische Leistungen.
 
Weitere Aufführungen: 15. und 18. April sowie 16. Mai.
 
Weitere Informationen: www.theater-oberhausen.de