Immerhin hopst es

Bühnenfassung der „Kanguruh-Chroniken“ wird strengen Fans wohl nicht viel geben

von Martin Hagemeyer

Patric Welzbacher - Foto © Nadja Blank

Immerhin hopst es
 
Bühnenfassung der „Känguruh-Chroniken“ wird strengen Fans wohl nicht viel geben
 
Eine Inszenierung der Burghofbühne Dinslaken
Inszenierung und Bühne: Mirko Schombert - Dramaturgie: Nadja Blank
Besetzung: Känguruh: Julia Sylvester – Kleinkünstler: Patric Welzbacher – Herta, Patriot, Psychoanalytiker, Nazi, Bankberater, Beamter: Markus Penne - Musiker, Souffleur: Jan Exner
 
Die „Känguruh-Chroniken“ waren als Stück in Remscheid zu Gast, und zum Bergischen haben sie mindestens eine Verbindung: Vor der letzten Oberbürgermeisterwahl in Wuppertal fanden Plakate eines rechten Bewerbers sich unverhofft verziert mit Kommentaren – nicht ganz anonym, sondern mit Bekennervermerk: „Asoziales Netzwerk, Sektion Kohlfurth.“ Klarer Bezug zum Kosmos des Känguruhs aus Marc-Uwe Klings Romanen. Ein Stadtteilblatt berichtete mit Foto, Kling teilte den Link, die Meldung wurde Netz-Hit – und der Server des Blatts drohte zu kippen.
Die Episode zeigt: Klings Kosmos ist außer komisch auch politisch. Und: Seine Fangemeinde ist riesig und höchst aktiv.
 
Was heißt das für den Beschluß, die „Chroniken“ auf die Bühne zu bringen? Der Autor selbst hat eine Stückfassung geschrieben, und das Burghoftheater Dinslaken geht nun damit auf Tour. Beim besagten Kultcharakter ist da nicht nur mit besonders kritischer Verfolgung zu rechnen. Der Berichterstatter ahnt auch, daß ihm mehr fehlt als bei manch anderem Stoff, wenn er die gefeierte Trilogie schmählich noch gar nicht gelesen hat. Er sieht erfreut einen nicht alltäglichen Theaterabend. Aber reicht das den Fans?
Kling, der Schriftsteller und Kabarettist, ist klug genug zu wissen, daß eine schnöde Nacherzählung mit verteilten Rollen kaum eine Option wäre. Als Ansatz hat er sich darauf verlegt, diese heikle Lage zum Thema zu machen. Ein Beuteltier beim Kleinkünstler, das nascht, ätzt und für die Weltrevolution agitiert: Wie bitte soll man das auf die Bühne bringen? So die Situation des Stücks, der die vier Spieler sich stellen – sie tun es dann mit einer Handvoll Ideen und viel Musik, im Stil einer ironischen Indie-Band.


Julia Sylvester, Jan Exner - Foto © Martin Büttner
 
Man muß ja nur grobe Vorstellungen von der Trilogie haben und etwas querlesen für den Eindruck: Die Känguruh-Romane sprühen vor Originalität. Rollen werden vertauscht und konterkariert (wie beim selbst angeknacksten Therapeuten des Kleinkünstlers), echte Zitate werden – Fake News! Falsche Quelle! – frech mit falschen Urhebern versetzt. „Tear down this wall! (David Hasselhoff)“ Wie dem gerecht werden? So richtig zünden wird dann das Gag-Feuerwerk auf der Bühne kaum für Leser, die die komische Kanonade gewohnt sind. Im Foyer des Teo Otto Theaters ist denn aus Kennermund auch eher Verhaltenes zu hören. Der Rest freilich, der unkundige: Er darf genießen.
Das Setting jedenfalls gibt sich also Mühe: Drei Personen suchen ein Stück. Drei Personen – und ein Tier. Das ist die zweite Überraschung, zwar fast die letzte: Das Dinslakener Känguruh ist eine Frau, und ohne eigentliches Tierkostüm. Julia Sylvester gibt das ersehnte Titelmonster mit Öhrchen und ein bißchen Glitzer, aber, schwerer wiegend: viel mehr verspielt als böse. Man hat ja doch von mancher Gemeinheit des Känguruhs gehört, der nicht nur „seinem Mensch“ (Haustiersprache) das Leben schwer macht – aber dieses Wesen ist eher eine sympathische Mischung aus Charlotte Roche und dem Sams. Eigen, poppig, hyperaktiv. Das ist nicht werktreu, aber toll.
 
Die Politik bleibt da keineswegs außen vor. Der Kapitalismus zwingt zu Produktivität, das vermittelt sich klar durch Einspieler zwischen den Szenen mit big-brother-mäßiger Off-Stimme. Dem klugen Beutelfreund schwant ein Zusammenhang mit dem aktuellen Zuspruch zu Rechtsparteien, Grund dafür also wirtschaftliche Schieflage statt bloß Rassismus. Und immerhin ist es schlagkräftig genug, einen Nazi plattzuhauen.
So entspinnt sich im Ganzen eine Bühnenwelt mit Sinn und manch schrägem Moment. Eine kregle Gestalt mit Tierohren diktiert ihrem Komplizen altkluge Losungen in die Sprühdose: Für sich ist das schön, und derlei sieht man nicht oft – aber für Kling-Freaks ist es wahrscheinlich zu wenig.
 
Martin Hagemeyer