Die Kleinen hängt man

Rainer Wittkamp – „Frettchenland“

von Frank Becker

Die Kleinen hängt man…
 
Rainer Wittkamp rührt mit seinem im Dunstkreis des Reichstags und der anscheinend allmächtigen Wirtschafts-Lobby angesiedelten Roman „Frettchenland“ an ein bedeutendes Problem, die bis in höchste parlamentarische Kreise reichende Korruption innerhalb der deutschen Politik. Wie sehr Parlamentarier ständig dem Druck und den Einflüssen (und dem Geld) von Verbänden und Organisationen der Wirtschaft ausgesetzt sind, ist bereits beim Anschauen der täglichen Nachrichtensendungen unübersehbar. Zu erleben, wie hochrangige Politiker, Abgeordnete, Minister und Kanzler (Ex-Kanzler Gerhard Schröder und die Ex-Minister Werner Müller, Matthias Wissmann, Ronald Pofalla, Dirk Nebel, Philipp Rösler, Daniel Bahr sind nur einige unrühmliche Beispiele aus jüngerer Zeit) geschmeidig von der Politik in die Wirtschaft wechseln, nachdem sie zuvor politisch die Wege dafür geebnet haben, verursacht Übelkeit.
 
Auch bei Kriminalkommissar Rico Hoyer ist das so, doch seine Ermittlungen zu korrupten Verflechtungen zwischen Atomlobby und Staatssekretären werden von höherer Ebene abgewürgt. Er ermittelt illegal weiter und opfert dafür auch das Leben seiner Kollegin und Freundin Lotte Weiland, die bei der illegalen Beschaffung von Informationen aus dem Büro des Bundestagsabgeordneten im Atommüllendlager-Kostenausschuß Jannsen skrupellos getötet wird. Die Tat ruft die Ermittler Martin Nettelbeck und Wilbert Täubner des LKA Berlin auf den Plan. Sie müssen im Politischen Sumpf stochern und die Fäden zusammenführen.
Es geht um sehr sensible Daten, parlamentarische Immunität und Nacktselfies des Parlamentarischen Staatssekretärs Norbert Füting, um viel Geld und künftige lukrative Posten in der Wirtschaft und um Erpressung – nicht nur eine. Eine Praktikantin mit einem IQ von 159, ein fast ebenso schlauer Referent, ein syrischer Asylbewerber, eine energische alte Dame, ein Journalist, die Bundestagspolizei, die Sicherungsgruppe des BKA, Das LKA Berlin und etliche andere spielen in der Folge eine Rolle in dem Verwirrspiel, das von den Verdächtigen mit ziemlichen Erfolg betrieben wird.

Rainer Wittkamps gut recherchierter Roman ist nicht geeignet, Vertrauen in die deutsche Politik und noch weniger in die Interessenverbände der deutschen Wirtschaft zu wecken. Ob es sich wie hier um die Atomlobby oder wie in der aktuellen Diskussion um die Autoindustrie handelt, die trotz nachgewiesenen Betrugs wohl ungeschoren davonkommt – es läuft stets nach dem gleichen Schema ab: Das Geld regiert und korrumpiert. Das Buch liest sich trotz kleiner Brüche gut und legt den Finger in eine eiternde Wunde.

Rainer Wittkamp – „Frettchenland“
Kriminalroman
© 2015 grafit Verlag, 221 Seiten kartoniert, ISBN 978-3-89425-457-5
9,99 €
Weitere Informationen:  www.grafit.de