Mythen und Fälschungen

Malachy Tallack – „Von Inseln, die keiner je fand’“

von Robert Sernatini

Mythen und Fälschungen
 
 „Von Inseln, die keiner je fand“
 
Als Junge habe ich wie viele den romantischen Traum gehabt, als Moses auf Viermastern die Welt zu umsegeln und all die paradiesischen und geheimnisumwitterten Inseln zu sehen, von denen meine Abenteuerbücher und Sagensammlungen mir erzählten. Daß viele dieser fernen Eilande nur der Phantasie von Eroberern, Schriftstellern, Reisenden, betrunkenen Seeleuten oder schlicht und einfach Schwindlern wie Mary Willkocks entsprungen waren, kam mir natürlich nie in den Sinn. An solche exotischen Ziele zu glauben, war schließlich Teil der Träume einer Jugend.
Später, aufgeklärter, hatte man gelernt, daß Atlantis und Thule, Lemuria, Terra Nova und die Inseln der Seligen nichts weiter waren als geographische Schimären – wenn auch nach wie vor spannend und nach Abenteuer duftend.
 
Sie heißen neben den oben genannten Atlantis, Thule, Lemuria, Terra Nova  und den „Inseln der Seligen“ z.B. Kibu und Fusang, Javasu und Sandy Island, Onaseuse und Bermeja, Los Jardines oder Hawaiki. Die Namensschöpfungen verheißen Paradiese, doch niemand hat die sagenhaften Inseln je gefunden, auch wenn man Jahrhunderte lang fest an deren Existenz geglaubt hat. Hunderte von solchen Inseln sind im Laufe der Jahrhunderte in Erzählungen und auf Karten aufgetaucht – und wieder verschwunden. Den schottischen Schriftsteller Malachy Tallack hat das Thema fasziniert, und er hat kompakte Informationen darüber zusammengetragen, aus welchen Quellen sich die Legenden über die bekanntesten „Trauminseln“ gespeist haben. Zusätzlich hat er sich auf die Suche nach weiteren, weniger bekannten Inseln der Phantasie gemacht und aus der Literatur insgesamt zwei Dutzend für sein Buch wiederentdeckt. Die können – natürlich nur ungefähr, schließlich entspringen sie der Phantasie – rund um die Erde „lokalisiert“ werden, mit Schwergewichten im Nordatlantik und im Westpazifik. Zehn weitere nennt er marginal in einem Appendix. Heute sind sie natürlich auf keiner Seekarte mehr verzeichnet, denn moderne Kartographie, Vermessung aus der Luft und das Verschwinden weißer Flecken auf der Landkarte haben dem Glauben an die Verheißung paradiesischer Entdeckungen ein Ende bereitet.
Besonders originell ist, daß sich im Einzelfall sogar zwei Staaten bei der Grenzziehung an solchen Inseln der Phantasie orientiert haben – die Kanada zugeschriebene „Isle Phelipeaux“ zwischen Kanda und den Vereinigten Staaten von Amerika ist 1783 so ein Fall gewesen.
 
Malachy Tallacks Entdeckungsreise führt zu den merkwürdigsten Orten der Welt. Mit viel Witz und leidenschaftlicher Neugier erkundet er zwei Dutzend Eilande rund um den Globus, von der Antike bis in unsere Zeit. Er erzählt von versunkenen Reichen, betrügerischen Mönchen und Paradiesen unter dem Wind. (…) Den Atlas der imaginären Inseln, Legenden und Wunder hat die großartige Katie Scott illustriert. (Verlagstext)
 
Wer nun aber beim Aufschlagen des Bandes nach einem bestimmten Ort suchen möchte, wird scheitern, denn das in der Tat höchst unterhaltsam und informativ geschriebene Buch hat weder ein komplettes Inhaltsverzeichnis noch einen Namensindex mit Seitenhinweisen. Also muß der Leser sich, wie einst die Kapitäne ohne Karten, auf die Suche begeben  und sich im Sargassomeer der Geschichten verlieren. Da stimmt dann auch der Titel des Buches wieder: „Von Inseln, die keiner je fand“.
 
Malachy Tallack – „Von Inseln, die keiner je fand“
Aus dem Englischen von Gisella M. Vorderobermeier
© 2018 Theiss Verlag / WBG, 143 Seiten, gebunden, Schutzumschlag, 68 farbige  Text-Abbildungen, 1 Karte, Bibliographie, 20 x 26 cm -  ISBN: 978-3-8062-3675-0
28,- €
 
Lesen Sie begleitend auch: Frank Jacobs – „Seltsame Karten – Ein Atlas kartographischer Kuriositäten“

Weitere Informationen: www.wbg-wissenverbindet.de