Schwülstige Lügen, zerstörte Welt

„The Green Lie“ von Werner Boote

von Renate Wagner

The Green Lie
(Österreich 2017)

Drehbuch und Regie: Werner Boote
Mit: Werner Boote, Kathrin Hartmann, Noam Chomsky u.a.
 
Werner Boote ist ein Dokumentarfilmer der anderen Art, der sein Thema nicht wissenschaftlich streng, sondern gewissermaßen persönlich plaudernd an den Mann bringt – vielleicht nicht die optimale Art, den Ernst des Gebotenen zu reflektieren, aber sollte er persönlich zu locker werden, hat er die Umweltjournalistin Kathrin Hartmann an der Seite, die ununterbrochen mit nie erlahmender Schärfe gegen die „grünen Lügen“ der großen Konzerne polemisiert.
Darum geht es, dazu haben sich Boote und Hartmann auf die Reise gemacht, buchstäblich um die Welt – allerdings nur um aufzuzeigen, was man ohnedies weiß: Daß all das pathetische, salbungsvolle Gerede um Nachhaltigkeit und Verantwortung gegen Umwelt, Tierwelt, Mensch und Nachwelt reines, gewissenloses Gelabere ist und daß es den großen Konzernen einzig und allein um ihre Gewinne geht. Und die Politiker spielen mit in diesem Spiel um Macht und Geld.
 
Allerdings haben Boote / Hartmann dahingehend recht, daß das bekannte Unrecht (Zerstörung der Natur, Ausbeutung der Menschen) nicht vor unserer Nase passiert, man also leicht darüber hinwegsehen kann. Darum zeigt er in Indonesien weite Strecken abgebrannten Regenwaldes, damit man auf dem gewonnenen Land Plantagen errichten und dort das billige Palmöl erzeugen kann, dessen Preis garantiert, daß wir alle Produkte mit Fett relativ billig erwerben können. Er demonstriert dabei nicht nur, wie die Natur zerstört wird, sondern wie auch die Menschen in den betroffenen Gebieten unter der total verschmutzten Luft leiden…
Und die großen Konferenzen, die zum Thema Wirtschaftsentwicklung stattfinden, sind zwar voll schwülstiger Lügen, aber eigentlich geht es um „big huge money“. Und im Endeffekt sind die eindrucksvollsten Szenen des Films die Werbeclips der Konzerne, wo irgendwelche Chefs von BP, Coca Cola, Nestle, Ikea, Unilever u.a. mit ernster Aufrichtigkeitsmiene ihre verlogenen Sprüche absondern, wie gewissenhaft und gut man doch bei ihnen vorgehe…
Und so stolpern Boote und Hartmann (er mit sehr hölzernem Englisch, ihres ist besser) weiter durch die Welt, um ihre Beweise anzutreten: Daß BP die Umweltkatastrophe von 2010 am Golf von Mexiko (wofür man die Verantwortung stets geleugnet hat) nicht beseitigte, sondern das Öl einfach durch Chemikalien unter Wasser drückte; daß Elektroautos keine Problemlöser sind, weil das dafür benötigte Lithium genau wie Öl in der Dritten Welt gewonnen werden muß und dabei ähnlicher Umweltschaden angerichtet wird.
 
Gesprächspartner werden gesucht und gefunden, am eindrucksvollsten der Globalisierungskritiker Noam Chomsky in Boston. Und eindrucksvoll ist der Protest, den die indigene Bevölkerung Brasiliens gegen die weißen Großgrundbesitzer durchzieht, die gestohlenes Land nicht zurückgeben – und die Indianer kämpfen weiter, entschlossen, solidarisch, nicht an die Ausweglosigkeit glaubend.
Und was macht der Durchschnittsmensch in unserer Welt? Der kauft die „Grünen Lügen“, wählt im Supermarkt das „Fair Trade Produkt“, dabei dürfte es die „Bastard“-Produkte von Gesetzes wegen gar nicht geben. Denn wer hat denn im Supermarkt die Zeit, sich durch die technischen Angaben der einzelnen Schachteln und Büchsen zu lesen – und nicht jeder hat das Geld, die teureren Preise zu zahlen.
Gibt es ein Entkommen aus dieser Problematik, die ja eigentlich – auch ohne Boote – jedem klar ist? Am Ende versucht er mit einer Fülle von Demonstrationsszenen den Eindruck zu erwecken, als wäre die Welt im Aufstand – und nicht beim Einkaufen… Gut gemeint.
 
Renate Wagner