Das verdächtige Saxophon

Eine Ausstellung zu: „Entartete Musik im NS-Staat“

von Johannes Vesper

Der "Saxopohn-Johnny" - Plakat: Veranstalter
Das verdächtige Saxophon
 
„Entartete Musik im NS-Staat“

Ausstellung im Bochumer Haus Kemnade
vom 28.01.-04.03.2018
 
Entartete Kunst“ wurde 1937 in München ausgestellt. Analog dazu wurde bei den Reichsmusiktagen 1938 in Düsseldorf eine Ausstellung zur „Entarteten Musik“ gezeigt. „Musik als die deutscheste aller Künste“ sollte entsprechend der Nazi-Ideologie von nicht-arischen, undeutschen, jüdischen Einflüssen gesäubert werden. Dr. Hans Severus Ziegler, ein persönlicher Freund Hitlers seit vielen Jahren, Generalintendant des Nationaltheaters Weimar, wollte auf den Reichsmusiktagen 1938 mit der jüdisch beeinflußten Musikkultur der Weimarer Republik „abrechnen“ und organisierte die Ausstellung, vielleicht vor allem um von seiner Homosexualität abzulenken. Neben vielen anderen hatte der Bochumer Studienrat am Reform-Realgymnasium (heute Graf-Engelbert-Schule) Richard Eichenauer mit seinem Buch „Musik und Rasse“ (1932) das Ausgrenzen jüdischer Musiker jahrelang geschürt. Dabei wurde intern gegen diese Ausstellung anläßlich des Kongresses 1938, auf dem ein geschlossenes, ideologisches Bild deutschen Musiklebens in Nazi-Deutschland präsentiert werden sollte, durchaus Stellung bezogen z.B. vom damaligen Präsidenten der Reichsmusikkammer Peter Raabe. Er beklagte den Dilettantismus des Machers und bezeichnete die Ausstellung in einem Brief an den Propagandaminister Joseph Goebbels als Unfug, der das Ansehen Deutschlands schädigen würde. Goebbels mahnte tatsächlich die gleichgeschaltete Presse, über diese Ausstellung nicht in besonderer Aufmachung zu berichten. Nach weiterer Kritik wurde die Ausstellung vorzeitig geschlossen. Der Nazi-Propaganda und dem Regime nutzte der vorauseilende Rassismus des Ausstellungsmachers Dr. Ziegler. „Leiste keinen vorauseilenden Gehorsam“ lautet die erste von zwanzig Lektionen für den Widerstand gegen Tyrannei (Timothy Snyder: „Über Tyrannei“, CH Beck 2018). Das galt damals und gilt heute!
 
1988 hatten Peter Girth und Dr. Albrecht Dümling die Ausstellung von 1938 rekonstruiert. Sie war aus dem öffentlichen Bewußtsein fast verschwunden. 2008 wurde sie nach erneuter Be- und Umarbeitung in Düsseldorf (siehe http://www.musenblaetter.de/artikel.php?aid=1831& ) und wird in Deutschland wie im Ausland (englische Version) immer wieder gezeigt. Jetzt ist sie seit dem 28.01.2018 in Haus Kemnade (Bochum) zu sehen. Peinlich berührt entdeckt der Besucher auf einem Foto Richard Strauss in geselligem Gespräch mit Nazi-Größen und liest die Geschichte Paul Hindemiths, der vorübergehend in die Türkei auswandern mußte. Zahlreiche Musikerschicksale sind dokumentiert. Zur Eröffnung gab Albrecht Dümling eine kenntnisreiche und spannende Einführung. Ist Musik politisch? Wie hört das Publikum heute zeitgenössische Musik? Mauricio Kagel forderte 1988 eine „Organisation wie Amnesty international, die sich an Ort und Stelle gegen die Verteufelung der akustischen Kunst wenden sollte“. Ist Musik nicht gerade immer eine Mischung verschiedenster nationaler und regionaler Einflüsse gewesen? Schon Johann Joachim Quantz habe im 18. Jh. vom „vermischten Geschmack“ der deutschen Musik gesprochen, die aus verschiedensten Quellen gespeist worden sei. Unterdiesem Aspekt kann die Flüchtlingsbewegung seit 2015 als Chance für unsere Kultur begriffen werden. Die Eröffnung wurde musikalisch umrahmt von Hartmut Beifuß und seinem Trio mit Jazz aus den 20er und 30er Jahren, wozu das zahlreiche Publikums, rhythmisch vergnügt, in leichte Bewegung geriet.

Dr. Albrecht Dümling - Foto © Johannes Vesper
 
Zu dieser wichtigen Ausstellung gibt es einen informativen, reich illustrierten Katalog mit beigelegter CD (29,90 €) sowie eine Tondokumentation mit ausführlichen Erläuterungen (4 CDs 35.-€).
In begleitenden Veranstaltungen wird teilweise auch Musik NS-verfemter Komponisten gespielt :
07.02.2018, 20:00 Uhr Rottstr5 H.O.F.: Klavierabend mit Werken von Bela Bartok, Pavel Haas, Gideon Klein (Susanne Frenzel-Wohlgemuth, Klavier. Einf.: Christiane Conradt. Rottstr. 5 Bochum
08.02.18, 19:00 Uhr: „Perlgrauer Liebesgesang“ mit Kammermusik von Ernst Bachrich, Simon Laks, Max Kowalski und Erwin Schulhoff in Kooperation mit der Jüdischen Gemeinde und der Stiftung Lichterfeld. Vorverkauf www.christuskirche-bochum.de/tickets
09.02.18, 19:00 Uhr: „Es brennt. Die Zeit. Sanft. Im Ohr“ Kammermusik verfemter Komponisten. Kulturhistorisches Museum Haus Kemnade, An der Kemnade 10, Hattingen.
18.02.18, 11:00 Uhr „Ursula & Esther Lesung mit Gitarre Dr. Anja Liedtke liest aus eigenen Werken. Kulturhistorisches Museum Haus Kemnade, An der Kemnade 10, Hattingen.
25.02.18, 11:00 Uhr Die CHarmonists – Musik der Comedian Harmonists. Kulturhistorisches Museum Haus Kemnade, An der Kemnade 10, Hattingen.
04.03.18, 11:00 Uhr „Zeilensprünge/Zeitensprünge –Lyriklesung mit H. Gölzenleuchter. Kulturhistorisches Museum Haus Kemnade, An der Kemnade 10, Hattingen.