Ein paar Erkenntnisse könnte man schon mitnehmen.

„Wunder“ von Stephen Chbosky

von Renate Wagner

Wunder
(Wonder - USA 2017)

Drehbuch und Regie: Stephen Chbosky
Mit: Jacob Tremblay, Julia Roberts, Owen Wilson, Izabela Vidovic u.a.
 
Nur zu Halloween, wenn er eine Maske tragen darf, sieht August Pullman aus wie jedes andere Kind. Wenn er sich einen Astronautenhelm überstülpt, fühlt er sich wohl. Aber wenn er sein Gesicht nicht verstecken kann… nun, es ist nicht so schlimm wie der „Elefantenmensch“, man erfährt auch nicht genau, welche „Krankheit“ er hat: „Gendefekt“ lautet die Diagnose für ein maskenhaft verformtes Kindergesicht, mit dem der Junge leben muß.
Außenseitergeschichten dieser Art mit ihrer Alltagstragik und dem Mut, der den Betroffenen abverlangt wird, eigenen sich für die Literatur, und ein Roman ist es auch geworden („Wunder“, ein Kinder- und Jugendbuch von R.J. Palacio), den Stephen Chbosky nun als Drehbuchautor und Regisseur auf die Leinwand gebracht hat – manchmal an der Kippe zu Kitsch und penetrantem Gutmenschentum, aber an sich eine Geschichte, in der natürlich viel Wahrheit steckt.
 
Besonders „gut“ (sprich: vorbildlich im Verhalten) sind die Eltern, wenngleich Julia Roberts (manchmal ein bißchen sehr heroisch durchatmend, um alles „normal“ zu finden) und Owen Wilson zweifellos mögliche Menschen darstellen, die beschlossen haben, das Problem, das ihre Familie (und vor allem ihren Sohn) getroffen hat, so selbstverständlich durchzustehen wie möglich.
Klar, daß sich August auch zur Tapferkeit verpflichtet fühlt, als man ihn mit 11 Jahren in eine normale Schule schickt, nachdem ihn die Eltern bis dahin zuhause unterrichtet und von der grausamen Umwelt bewahrt haben. Jacob Tremblay (der mit Filmen wie „Raum“ oder „Book of Henry“ zu einem der berühmtesten Kinderstars des US-Kinos geworden ist) zeigt berührend, aber nicht kitschig, die Strategien, die er sich ausgedacht hat, mit der Umwelt zurechtzukommen. Dennoch – er ist über weite Strecken der Ich-Erzähler aus dem Off, und manchmal bricht dann die Verzweiflung hervor, wenn er zugibt, wie schmerzlich ihn Worte und Taten der anderen Kinder ihn treffen… und er versucht doch so sehr, es sich nicht anmerken zu lassen.
 
Interessant an der Geschichte ist auch der Schwenk in andere Erzählpositionen, wo man merkt, daß natürlich die Kinder in der Schule es auch nicht leicht haben, sich ganz einfach an das Anderssein von August zu gewöhnen (wo Kinder doch genau so grausam sein können wie Erwachsene, manchmal bloß noch direkter). Aber man hört besonders der Schwester Via (Izabela Vidovic) zu, wenige Jahre älter als August, liebevoll zweifellos, aber doch auch schmerzlich getroffen, weil sie absolut immer an zweiter Stelle steht – und die Mutter erst lernen muß, daß das gesunde Kind genau so viel Beachtung braucht wie das kranke…
Zeitweise streift der allgemeine Heroismus das, was man in Amerika einen „Tearjerker“ nennt, die Tränendrüsen werden schon recht angespitzt, aber – es ist einfach eine Geschichte, wie sie so oder so (nicht immer ins Gesicht geschrieben) immer und überall passiert. Ob die äußerlich Betroffenen (jene, die mit den Außenseitern umgehen müssen) von diesen Filmen ihr Verhalten bestimmen lassen… na, ein paar Erkenntnisse könnte man schon mitnehmen.
 
 
Renate Wagner