Stasi – weich gespült

Markus Wolf las zum Abschluß der Remscheider Friedrich-Wolf-Kulturtage aus seinem Buch „Freunde sterben nicht“

von Frank Becker

Stasi – weich gespült
 
Markus Wolf las
zum Abschluß der Remscheider Friedrich-Wolf-Kulturtage
aus seinem neuen Buch „Freunde sterben nicht“
 
Remscheid. Jahrzehnte lang war er einer der mächtigsten Männer der DDR. Ein Intellektueller, der im Machtapparat der Diktatur des „real existierenden Sozialismus“ 30 Jahre lang eine Schlüsselstellung einnahm, wie sie außer ihm nur wenige bekleideten. Er war, so der Jargon westlicher Geheimdienste „der Mann ohne Gesicht“ – Generaloberst Markus Wolf, bis 1986 gefürchteter und geheimnisumwitterter Leiter der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR, zuständig für die Auslandsspionage. Es gab keine Fotos dieses Mannes, Spitzname „Mischa“, der nach dem Minister für Staatssicherheit Erich Mielke, dessen Vertreter er war, die zweithöchste Position im Unterdrückungsapparat der DDR einnahm. Skrupellos und dumm der eine, skrupellos und intelligent der andere. Auf ihrem Konto: Menschenraub, Spionage, Bespitzelung und Unterdrückung der eigenen Bevölkerung, Freiheitsberaubung. Denn die HVA operierte durchaus nicht nur im Ausland, sondern bekämpfte nicht konforme Landsleute „wie Feinde“ (Schell/Kalinka, S. 156 ff.).
 
Als stellvertretender Chef war Wolf in alle Operationen der „Staatssicherheit“ mit ihren eigenen Gefängnissen, in denen verdächtige DDR-Bürger ohne Haftbefehl oder Urteil wochenlang festgehalten wurden, eingebunden. Als er sich 1986 im Pensionsalter von 63 Jahren aus dem aktiven Dienst zurück zog, behielt er im „Arbeitsstab Markus Wolf“ Macht und Einfluß, ja es heißt, er habe seinen Nachfolger Generaloberst Großmann „geführt“. Mit dem Ende der DDR endete die Macht der Stasi. Wolf setzte sich nach Moskau ab und stellte sich 1991 der deutschen Justiz. Eine Verurteilung wegen Landesverrats u.a. wurde 1995 vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben. Was
blieb, war eine Bewährungsstrafe wegen Freiheitsberaubung.
 
Seither schreibt Markus Wolf beharrlich und nicht einmal schlecht im Stil Bücher über sein Leben, in denen er seine Tätigkeit als Agentenchef und abgeklärter Wanderer zwischen den Geheimdiensten der Welt romantisiert. Zuletzt „Freunde sterben nicht“, in dem er altersmilde Erinnerungen an Weggenossen und die eigene Kindheit in Moskau vorlegt. Stasi – weich gespült. Wenigstens eine Äußerung wie Mielkes dummes „Ich liebe doch alle!“ hat sich Wolf klug verkniffen. Andächtig lauschte eine große Gemeinde Interessierter im Remscheider Vaßbender-Saal der von der Buchhandlung Potthoff organisierten Lesung und nahm auch keinen Anstoß an der Verklärung der mörderischen Ära des Stalinismus, bis ein schriller Mißton die Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung zerriß. Zu Wort und zum Thema Freundschaft und Treue meldeten sich zwei ehemalige Agenten des MfS, sogenannte „Kundschafter“, die nach ihrer Festnahme im Westen von Wolf und seiner Stasi fallengelassen worden waren. Dr. Gabriele Gast, zu 6 Jahren und 9 Monaten Haft verurteilt, Autorin des Buches „Kundschafterin des Friedens“ und Werner S. (Name von der Red. geänd.), beide heute in Remscheid ansässig, griffen Wolfs Umgang mit Freundschaft und Treue scharf an, ziehen ihn der Doppelzüngigkeit. Die Diskussion wurde darauf hin sehr schnell abgebrochen. Das Thema aber ist noch lange nicht vom Tisch.
 
Frank Becker, 13.10.02