Der Trockner

Notizen aus dem Tagebuch

von Erwin Grosche

Foto © Harald Morsch
Der Trockner
 
Was bewirkt der Mensch, wenn er nichts tut? Auch ich frage mich manchmal, wovon ich mich ausruhen soll, wenn ich noch gar nichts gemacht habe. Der nichtstuende Mensch ist immer ein bewegender Anblick. So voller Möglichkeiten und trotzdem kaltgestellt. Ich habe einen Trockner, der trocknet nicht. Wenn die Wäsche nicht naß bleiben würde, gäbe es keinen Grund zum klagen. Naß kommt die Wäsche, nachdem sie die Torturen der Waschmaschine überstanden hat, in den Trockner, und naß kommt sie wieder heraus. Der Trockner gibt sein Bestes, geduldig und arbeitsam. Die Trommel setzt sich in Gang, dreht sich und schleudert was das Zeug hält. Alles dauert wie immer drei Stunden, und dann holt man die Wäsche raus und sie ist naß. Was aber macht man mit nasser Wäsche? Ich kann nicht mit nassen Hosen zur Arbeit kommen, auch wenn sie sauber sind. Wenn der Trockner seiner Bestimmung nicht nachkommt, mußt du auf die Sonne zurück greifen, sagt man. Also hänge ich im Garten die nasse Wäsche an die Wäscheleine, bis die Nachbarn denken, ich hätte keinen Trockner. Ich bin nur überrascht, daß der Trockner für das Abliefern der nassen Wäsche die gleiche Zeit benötigt hat, als wenn er seinem Auftrag nachgekommen wäre. Was macht er in der Zeit, wo er die Wäsche trocknen soll? Was passiert in der Trommel und warum bleibt trotz aller Mühe die Wäsche naß? Bügeltrocken, geschweige denn schranktrocken, fühlt sich anders an. Man kann doch einen Trockner nicht wegschmeißen. Das ist doch kein Dackel, den man zu Ferienbeginn an einer Tankstelle rausläßt. Natürlich kommen da Fragen auf. Unser Dasein ist nicht einfach zu gestalten. Was machen wir eigentlich hier und was haben wir hier gemacht, als wir nichts taten? Ich habe manchmal den Eindruck, daß bei vielen am Ende des Lebens die Menschwerdung noch gar nicht abgeschlossen gewesen ist. Was haben die nur gemacht in der ganzen Zeit, und warum sind sie nicht zu dem geworden, was sie sich vorgenommen hatten? Ich sage immer, scheitern muß keine Schande ein. Auch meinen selbstverfaßten Gedichten fehlt es manchmal an Ernsthaftigkeit, aber sie wurden immer mit Liebe gemacht. „Ist das Pech/ dir mal zu frech/ Hol das Glück/ dir schnell zurück“ ist so ein Versuch. Vielleicht erfahren wir durch die Ergebnislosigkeit meines Trockners, daß wir uns einfach bemühen müssen. Vielleicht ist das Resultat nicht so wichtig oder wie man hier sagt: Das Bemühen ist das Ergebnis. Vielleicht, wenn man es aushält, macht man einfach nichts... und das so gut es geht. Verzeihen müssen wir uns allemal.
 
 
© Erwin Grosche

 Redaktion: Frank Becker