Notizen

Aus dem Tagebuch

von Erwin Grosche

Foto © Harald Morsch
Notizen
 
Raffaello: Ich kann manchmal schon an der Kleidung der Models sehen, ob sie nach dem Gang unter Palmen „Raffaello“ essen werden oder nicht. Schade, daß es „Wetten daß“ nicht mehr gibt. Wenn man Raffaello mag, trägt man gerne einen weißen Sommerhut zum weißen Kleid und ißt nur Süßigkeiten, die zu diesem Outfit passen. Meine Mutter konnte am Klingelton des Telefons erkennen, welches ihrer beiden Kinder anrufen würde. Das erscheint bei zwei Kindern nicht allzu schwierig, aber sie konnte auch in der Hitparade von Dieter Thomas Heck voraussagen, wer auf Platz eins landen würde und das obwohl Chris Roberts und Ricky Shayne dabei waren. Auch ich habe heute noch ein untrügliches Gefühl bei welchen Frauen ich punkten könnte und wer mir von ihnen eine kalte Schulter zeigen wird. Ich kann manchmal sogar einem Apfel ansehen, ob er mir schmecken wird oder nicht. Später erfuhr ich dann, daß ein berühmter Okkultist, Eugen Grosche, besser bekannt als Gregor A. Gregorius, ein entfernter Verwandter vor mir war. Vielleicht liegen besondere Fähigkeiten einfach bei uns in der Familie. Auch der berühmte Skispringer Alfred Grosche kam, wie meine Vorfahren, aus dem Sauerland. Ich will nicht behaupten, daß meine kühnen Gedankensprünge mit ihm zu tun haben, aber man weiß es nicht.
 
 
Das Paradies: Das Paradies wurde nicht von IKEA gestaltet. Im Paradies liegen Windeln auf den Boden und im Wohnzimmer hat jemand eine Sonne an die Wand gemalt. Im Paradies stapelt sich das Geschirr in der Küche und niemand schafft es, die verwelkten Blumen vom Tisch zu nehmen. Im Paradies sucht immer irgendeiner das klingelnde Handy und im Flur sitzt jemand, den niemand kennt. Dort wo das Durcheinander fehlt, fehlt auch das Einander. Wie soll die Ordnung entstehen, wenn die Unordnung keinen Platz hat? Ohne meine Kinder und meinen Hund sähe es bei uns anders aus. Auch der, der allein sein will, braucht die anderen, um das genießen zu können.
 
 
Wintergeschichten: Es ist schade, daß man manche Kleidungsstücke nur zu einer bestimmten Jahreszeit tragen soll. Meine Winterhandschuhe stehen mir so gut, daß ich sie auch im Sommer tragen würde. Oft ist der Winter so kurz, daß man gar nicht dazu kommt, seine Winterklamotten zu waschen. Ich muß jedes Jahr meine Handschuhe suchen und habe Angst, sie passen mir nicht mehr. Einmal fand ich meine Kinderpudelmütze, die ich ganz vergessen hatte.
 

© Erwin Grosche

 Redaktion: Frank Becker