Die Fifties - wohlfeil stylish, aber nicht bemerkenswert

„Suburbicon“ von George Clooney

von Renate Wagner

Suburbicon
(USA 2017)

Drehbuch: Ethan Coen, Joel Coen
Regie: George Clooney
Mit: Matt Damon, Julianne Moore, Noah Jupe, Karimah Westbrook, Leith M. Burk, Oscar Isaac u.a.
 
Es gibt sie nicht oft, aber doch: Jene Filme, die ihre „Macher“ geradezu herausschreien. Man sieht „Suburbicon“ und weiß – Coen Brothers, Coen Brothers! George Clooney, der sicher ein ambitionierter Mann ist und diesen Film inszeniert hat, hat sich ein altes, bis dahin unverfilmtes Drehbuch der beiden hergenommen und teils daran mitgeschrieben. Aber die Handschrift des Ganzen zeugt vor allem von der Lust der Coens, ein scheinbar ganz durchschnittliches Amerika in seinem Wahnsinn mit allerschwärzestem Humor zu durchleuchten.

Freilich, grundsätzlich Neues ist ihnen dazu nicht eingefallen, wenn sie eine Muster-Kleinstadt namens Suburbicon erschaffen, ganz USA der Fünfziger Jahre (der gewisse Doris-Day-Look in allem), eine selbstzufriedene weiße Gesellschaft, die sich unheimlich gut vorkommt – und empört rebelliert, als die „schwarze“ Familie Myers (Karimah Westbrook und Leith M. Burke) es wagt, hier einzuziehen. Die will man nun einmal gar nicht hier haben, und ein starkes (und allzu zeigefingerhaft deutliches) Segment des Films besteht darin, was die guten Bürger alles tun, um die tapfere kleine Familie samt Sohn Andy (Tony Espinosa), die standhaft durchhalten, zu terrorisieren… Das hat voll grausame, starke Momente – ist aber in jedem Detail so schrecklich auf der Hand liegend.
Aber das ist eigentlich nur die Nebenhandlung. Diese Myers sind die Nachbarn der Familie Lodge, um die es eigentlich geht und die auf den ersten Blick so verlogen perfekt scheint. Ein starr braver Papa, wie es scheint (Matt Damon, in anderen Filmen durchaus smart, ist hier dicklich und stockig), mit einer Gattin im Rollstuhl und ihrer Schwester im Haushalt (beide – die eine blond, die andere braunhaarig – gespielt in ironischer Meisterschaft von Julianne Moore). Und der kleine Sohn Nicky (meisterlich, wie er kritisch in die Welt schaut: Noah Jupe), der mehr begreift, als den Eltern lieb ist – und mit dem schwarzen Nachbarjungen die selbstverständliche Freundschaft von Gleichaltrigen pflegt.
 
Nun, die Rollstuhl-Mama gibt es bald nicht mehr: Auch in einer idealen Welt werden brave Familien überfallen (Glenn Fleshler und Alex Hassell sind beängstigend wie aus dem Bilderbuch), und dabei stirbt die Mutter. Die Schwester muß sich natürlich um Schwager und Neffen kümmern – sie erblondet, und Nicky merkt bald, daß das Interesse der Erwachsenen verdächtig einander gilt.
Ja, es ist kein Spoiler, es zu verraten, denn es wird ohnedies klar – in dieser scheinbar ach so braven Welt werden auch Morde bestellt, wird nach Kräften gelogen, um alles zu verschleiern, und Kinder, die das durchschauen, geraten in Lebensgefahr. Papa sieht sich unter Erpresserdruck genötigt, selbst mörderisch Hand anzulegen. Ein Onkel (Gary Basaraba), der den Neffen retten will, bezahlt das teuer. Desgleichen ein Versicherungsbeamter (Oscar Isaac), der wittert, was der Zuschauer längst weiß: Die Sache mit der kürzlich aufgestockten Lebensversicherung für die Ermordete stinkt zum Himmel.
Freilich, wie die Coens dann den Lauf der Handlung drehen, daß sich die Bösen in ihren eigenen Netzen fangen – das ist die Hohe Schule dieser Art von Filmen. Gar nicht Hohe Schule ist es, daß hier eigentlich die tausendfach repetierte Geschichte über die Abgründe der braven Bürger wieder einmal mehr oder minder nach Schema F erzählt wird – auch wenn es schwer sein mag, dem Thema noch eine neue Facette abzuringen, denn es ist in seiner Wohlfeilheit oft genug gedreht und gewendet worden.
Jedenfalls kommt hier eigentlich nichts wirklich Bemerkenswertes heraus, so stylish Regisseur George Clooney das Milieu zu pinseln vermag – auch wenn man es als Attacke auf speziell die Selbstgefälligkeit (und notabene Verlogenheit) des Trump-Amerika nehmen kann. Was auch abgegriffen genug und absolut keine Neuigkeit ist.
 
 
Renate Wagner