Martin Luther – anders nahegebracht

Eine Ausstellung von Harald Birck in der Berliner Petruskirche

von Joachim Klinger

Titelfoto: Dan Penschuck
Martin Luther – anders nahegebracht
 
Eine Ausstellung von Harald Birck in der Berliner Petruskirche
 
Das Lutherjahr als Jubiläumsjahr der Reformation ist reich an „events”. Über die vielen Veranstaltungen berichten die Medien, liefern aber auch selbst viele Wort- und Filmbeiträge. Die Fülle der Darbietungen erzeugt bei manchem Bürger bereits einen Überdruß. Umso erfreulicher ist da die Begegnung mit einer Ausstellung von Werken des Künstlers Harald Birck in der Berliner Petruskirche (Giesendorf).
 
Der freundliche Kirchenraum bietet sich wie selbstverständlich als Ausstellungsstätte dar. An den Seitenwänden des Kirchenschiffs werden grafische Blätter, Aquarelle, Skulpturen präsentiert. Rechts neben dem Altar steht auf einem Sockel eine Luther-Büste von Birck, links assistiert seine Ehefrau Katharina von Bora in Augen-Höhe.
Wir haben ein deutliches Lutherbild, das durch Cranach, Schadow und andere Künstler geprägt wurde. Als Denkmal steht der Reformator vor unseren Augen – ernst, bedeutungsvoll.
Dem Künstler Harald Birck geht es um einen anderen Luther. Er will ihn lebensnah darstellen – in verschiedenen Altersphasen, in unterschiedlichen Gemütsverfassungen, in sich versunken oder auch leidenschaftlich in Aktion. Er will Nähe zu Martin Luther schaffen, und das gelingt ihm häufig in erstaunlichem Ausmaß.
Einerseits ist es die Art der Gestaltung, die dazu beiträgt. Der flüchtige, fast heftige Pinselstrich, die skizzenhafte Komposition mit dem Effekt einer immensen Beweglichkeit, die unruhige Modellierung der Plastikmasse, die Gesichtern und Figuren ein starkes Mienen- und Gestenspiel gestattet. Andererseits werden ergänzend Zeitgenossen – bekannte und unbekannte – zur Veranschaulichung der Lebenswelt des Reformators den Lutherbildnissen zugesellt. So erscheinen Gestalten aus der damaligen Zeit als Weggenossen, beispielsweise die Wäscherin.
 
In einem sehr aufschlußreichen Gespräch des Künstlers mit Pfarrer Roland Wicher von der Petrus-Gemeinde (veröffentlicht im Gemeindebrief „Der Schlüssel” Nr. 213 vom Oktober 2017, S. 4 bis 7) schildert Harald Birck auch die „Machart” seiner Skulpturen, die verschiedene Tonsorten zusammenbringt und Oxide hinzufügt, die „beim Brennen farblich ausblühen” und der bewegten Oberfläche durch Farbtupfer zusätzlichen Reiz verleihen (a.a.O. S.6).
Spätestens wenn man das Begleitbuch zur Ausstellung zur Hand nimmt (kein eigentlicher Katalog!) wird einem klar, daß hinter dieser gelungenen Ausstellung im Kirchenraum ein größeres, anspruchsvolles Vorhaben steht. Das Begleitbuch „Bilder von Luther” (herausgegeben von Andreas Pitz, edition chrismon in der Evangelischen Verlagsanstalt GmbH, Leipzig, 2016, 19,90 €) enthält gewichtige Beiträge von Heinrich Bedford-Strohm über Frank-Walter Steinmeier bis zu Malu Dreyer und Margot Käßmann. Bazon Brock („Experimenteller Tintenfaßwurf” S. 31-34), Ursula Ott („Danke, Herr Sprachgenie” S. 105) und andere sorgen dafür, daß der Leser nicht zu sehr mit gängigen Luther-Themen belastet wird und sich überfordert fühlt.
Aus der Einführung von Andreas Pitz erfahren wir, daß es sich um eine Wanderausstellung handelt (allein das ist sinnvoll!) und daß ihr Träger die Martin Luther Stiftung Ruhr ist (aktuelle Informationen unter www.lutherforum-ruhr.de).
Ausstellung und Begleitbuch kann man ohne Vorbehalte empfehlen. Auch Nichtchristen und solchen Zeitgenossen, die sich für Kunst und Kultur kaum erwärmen können. Auf Martin Luther sollte man neugierig sein! Vor allem auf den von Harald Birck!

Weitere Informationen: harald-birck.de/luther/