Der Zauber von „Rheinsberg“ erneuert

Marc Kayser – „Ein Wochenende mit Tucholsky“

von Frank Becker

Der Zauber von „Rheinsberg“ erneuert
 
„Ein Wochenende mit Tucholsky“ zum Verlieben
 
Eine der bezauberndsten Liebesgeschichten der deutschen Literatur ist und bleibt Kurt Tucholskys federleichtes „Rheinsberg“. Es geht auf einen Liebesausflug des Autors mit seiner damaligen Freundin und nachmaligen ersten Ehefrau Else Weil 1909 in das romantische brandenburgische Residenzstädtchen gleichen Namens zurück. Zart und keß, mit Berliner Witz und unnachahmlichen Dialogen schickt Tucholsky 1911 seine literarischen Pendants Claire und Wolf in dieses verbotene Wochenende voller Zärtlichkeit und junger Klugheit.
Das Buch „Rheinsberg“ wurde zu einem großen Erfolg, das Städtchen fiel nach 1945 in der DDR in einen höchst unromantischen Dornröschenschlaf. Nach der Wiedervereinigung wurde Rheinsberg zu neuem Leben geweckt.
 
Den Schriftsteller Marc Kayser aus Potsdam hat Tucholskys Roman und das Schicksal Rheinsbergs derart gefangen genommen, daß er Tucholskys Gedanken-Faden erneut aufnimmt und nun seinerseits ein Liebespaar für ein Wochenende in das Rheinsberg von heute reisen läßt: Linn und Gilbert, ein Paar um die 40, das ein wenig vergessen hat, was die einst große Liebe angekratzt, verblaßt hat. Das berühmte Städtchen in der Mark Brandenburg ist natürlich  nicht mehr der ein wenig verschnarchte Ort von 1909. Doch noch immer hat es den Charme von damals und Originale wie einst. Und es hat das historische Schloß des Kronprinzen Friedrich und seines Bruders Heinrich, den See mit seinen ungezähmten Ufern, die herrlichen Wälder und weiten Felder ringsum. Alles also, was man für ein reiches Sommer-Wochenende und eine neue Liebesgeschichte braucht.
 
„Ein Wochenende mit Tucholsky“ heißt Marc Kaysers Roman und ist eine Liebeserklärung an Rheinsberg. Vor allem aber ist er, wer es nicht glauben möchte, nehme das Buch gleich zur Hand, ein ebenso ein kleines Juwel wie seine Vorlage „Rheinsberg“. Marc Kayser ist etwas unmöglich erscheinendes gelungen, nämlich „Rheinsberg“ kongenial fortzuschreiben, ohne je in den Verdacht zu geraten, ein Trittbrettfahrer, „nur“ ein Epigone, zu sein.
In einem eleganten Seiltanz zwischen gestern und heute, sprachgewandt wie der Meister, dessen Spuren man ruhig sehen darf, erzählt, plaudert, überrascht Kayser, läßt historische Figuren wie Theodor Fontane und Dr. Joachim Weidauer aufmarschieren, führt herrliches Personal wie den Stadtschreiber und einen geheimnisvollen, omnipräsenten alten Herrn ein, vor allem aber zeichnet zweier Menschen, die sich wieder ineinander verlieben, immer Tucholskys „Rheinsberg“ in der ganzledernen Vorzugsausgabe bei er Hand. Von gewandten Dialogen, eloquenten Gesprächen und seiner eleganten, heiteren Atmosphäre lebt das Buch, das genau die richtige Lektüre für Verliebte, solche die es waren und solche, die es werden wollen ist. Und es ist ein Genuß für jeden Liebhaber schöner Sprache und jeden Tucholsky-Freund.
 
Die Kenntnis von Tucholskys Original „Rheinsberg“ ist wenn auch nicht unabdingbare Pflicht, so doch herzlich zu empfehlen. Marc Kayser läßt den literarischen Ahn per Zitat auftreten und verknüpft damit die Fäden von gestern und heute von Fall zu Fall miteinander. Ebenfalls nicht von Schaden ist zum Miterleben die großartige Kurt Hoffmann-Verfilmung von 1967, die durch Tucholskys Ideal-Paar Claire/Cornelia Froboess und Wolf/Christian Wolff sowie die Musik von Martin Majewski den ganzen Zauber dieser Liebesgeschichte sich auch optisch und akustisch entfalten läßt.
Ich zögere nicht, „Ein Wochenende mit Tucholsky“ zu unserem Buch des Monats zu ernennen und mit unserem Prädikat, dem Musenkuß auszuzeichnen.
 
Marc Kayser – „Ein Wochenende mit Tucholsky“
Liebeserklärung an Rheinsberg
© 2017 BEBUG mbH / Bild und Heimat, 118 Seiten, gebunden, mit Vignetten von Klaus Ensikat  -  ISBN-13: 9783959580779
14,99 €
Weitere Informationen: www.bild-und-heimat.de