Notizen

Aus dem Tagebuch

von Erwin Grosche

Foto © Harald Morsch

Notizen


 
Traum: Einmal träumte ich von einem Reh. Ich hielt verblüfft den Atem an und bewegte mich nicht. Es schaute herausfordernd zu mir herüber, als wäre es gar nicht scheu und zart. Im Wald war das Reh zu Hause. Stellen sie sich das Reh in der Stadt vor. Da denkt man doch gleich an Orientierungslosigkeit, an eine Krankheit, als hätte es sich dadurch verirrt. Auch ein Reh im Supermarkt wirkt fehl am Platz, außer es ruht in der Tiefkühltruhe oder steht als Deko in der Gartenabteilung. Audrey Hepburn hatte ein Reh als Haustier. Sie hatte zwei Eichhörnchen als Hausangestellte. Natürlich hätte sie auch ein Einhorn an ihrer Seite ertragen. Sie wirkte doch selbst wie von Woanders. Man sprach sofort leiser, wenn sie den Raum betrat und vermied Kraftausdrücke. Man sagte auch nicht göbeln, wenn sie dabei war, sondern „übergeben“. Wenn Audrey Hepburn Alpträume hatte, sah sie Jugendliche, die im Bus nicht aufstanden, wenn alte Leute sitzen wollten.

Einmal träumte ich, daß der Buchstabe C abgeschafft werden soll. Und da dachte ich: Um Himmels Willen und was wird aus Costa Cordalis, Claudia Cardinale und dem C-Falter? Das sind doch keine Hamäleons, ähh Chamäleons, blödes C. Was soll denn dieses Haos, äh Chaos? Blödes C. Und dann kam heraus, daß gar nicht der Buchstabe C abgeschafft werden soll, sondern der Zeh, der dicke Onkel. Weil man herausgefunden hat, daß des Zehs Pflege und Wartung mehr Mühe machen würde, als dessen Nutzung uns Freude und Erleichterung verschafft. Deswegen soll ja auch der 1 Ent, äh Cent, abgeschafft werden, weil dessen Herstellung mehr kostet, als dessen Wert beträgt. Und da dachte ich auch: Und was ist mit dem Glück? Zählt das gar nicht mehr? Ein 1 Ent Stück, also Cent Stück bringt doch Glück. Und wenn der dicke Onkel juckt, dann schlägt das Wetter um. Das sind doch auch erhaltenswerte Qualitäten. Und da hörte ich: Du immer mit deinen Sorgen. Fürs Glück kann man sich nichts kaufen. Das Glück wird überschätzt. Vielleicht ginge es uns allen besser, wenn wir andauernd unglücklich wären, dann hätten wir nicht so überzogene Ansprüche an das Leben. Zum Glück wurde ich dann wach, in den Armen meiner Geliebten und wir gingen dann zum Frühstücken in unser Lieblings-Afe, ähh Café, blödes C, blödes C, blödes C.
  
 
© Erwin Grosche

 Redaktion: Frank Becker