Ein lichtdurchfluteter Schutzraum für besondere Kunstwerke

Arbeiten von Klaus Simon, Ichwan Noor und Mat Collishaw in der neuen 3. Halle des Skulpturenparks

von Anne-Kathrin Reif und Jürgen Kasten

Foto © Jürgen Kasten

Ein lichtdurchfluteter Schutzraum für besondere Kunstwerke
 
Der Skulpturenpark Waldfrieden in Wuppertal hat die dritte Ausstellungshalle eröffnet.
Gezeigt werden Arbeiten von Klaus Simon, Ichwan Noor und Mat Collishaw.
 
Einmal oben angekommen, wird man mit einem phantastischen Ausblick belohnt. Wenn die Wolken nicht gerade tief hängen, geht der Blick weit über die Hügel des bergischen Landes. Hier oben, auf dem höchsten Punkt von Tony Craggs Skulpturenpark Waldfrieden in Wuppertal, thront die seit kurzem fertiggestellte dritte Ausstellungshalle. „Die letzte“, wie Cragg betont. Mit der Erweiterung des Geländes und der Eröffnung der Halle sei der rund zehnjährige Ausbau des Parks abgeschlossen – von jetzt an wird er sich nur noch durch die Skulpturen verändern, die den Park dauerhaft oder temporär eher bewohnen, als daß sie dort ausgestellt wären. Nur der Zaun, der das neue Areal vom alten trennt, muß noch weg, damit das gesamte, nunmehr von neun auf vierzehn Hektar Gesamtfläche erweiterte Gelände eine vollkommene Einheit bildet. Und die Bänke auf der Gartenfläche vor der neuen Halle fehlen noch. Auf die freut man sich jetzt schon, wenn man den ziemlich steilen Aufstieg geschafft hat und sich am liebsten erst einmal niederlassen würde.

 
Rote Figur und Turm von Klaus Simon
Foto © Jürgen Kasten

Daß auch die Begegnung mit perfekt präsentierter Kunst die Müdigkeit verfliegen lassen kann, erfährt man, wenn man die lichtdurchflutete Halle betritt. Mit neun Metern lichter Höhe, 319 Quadratmetern überbauter Ausstellungsfläche und der raumhohen, abgerundeten Glasfassade zur Talseite gibt sie den Kunstwerken Raum zum Atmen. Gegenüber ihren freilebenden Verwandten im Park wirken sie hier nicht eingesperrt sondern lediglich geschützt. So wie der fast sechs Meter hohe, sich nach oben verjüngende und aus vielen Einzelteilen verschachtelt aufgebaute „Turm“ aus rohem Fichtenholz von Klaus Simon. Zwei kleinere Skulpturen des in Krefeld lebenden Künstlers, die eine organisch wirkende Form aufweisen, lassen ebenfalls ihr Innenleben aus behauenem, rohem Fichtenholz erkennen, während die Außenseiten geglättet und farbig rot bzw. weiß gefaßt sind. Ein spannungsvolles Pendant dazu bildet der zur Kugel zusammengefaltete VW-Käfer (Baujahr 1953) von Ichwan Noor. „Beetle Sphere“ sieht dabei keineswegs aus wie das Relikt eines Auffahrunfalls, sondern behauptet mit seiner glänzenden, lackierten und unversehrt erscheinenden Oberfläche ganz und gar seinen Charakter als Kunstwerk.


Ichwar Noor, Beetle Sphere - Foto © Jürgen Kasten

Einen eigenen Raum im Raum hat die aufregende Installation „All Things Fall“ von Mat Collishaw bekommen: Auf einer drehbaren Scheibe erhebt sich ein tempelartiger, von Säulen umgebener und mit einer Kuppel gekrönter Aufbau. Auf rundum ansteigenden Treppenstufen und umlaufender Dachbalustrade sind unzählige naturalistische Figürchen plaziert, die wie in der Bewegung erstarrt erscheinen. Während der gesamte Raum sich verdunkelt, wird zugleich die Szenerie von innen heraus durch warm wirkendes LED-Licht erhellt und beginnt, sich mit zunehmender Geschwindigkeit zu drehen. Dabei erwachen die Figürchen scheinbar zu lebendiger Bewegung – wie beim Film läßt sich das Auge durch die abgespulte Bildfrequenz täuschen und nimmt keine Einzelbilder mehr wahr sondern eine bewegte Abfolge. Jetzt erst offenbart sich das ganze grausame Ausmaß der Szenerie: Da lassen die männlichen Figuren Peitschen auf Frauenkörper niedersausen, werden Säuglinge aus den Armen gerissen oder von der Balustrade geworfen und türmen sich zu Haufen aus kleinen Leibern, da wird gezappelt, geprügelt, geschüttelt, geschlagen, gewürgt – bis sich die Rotation schließlich verlangsamt und die Figuren wieder erstarren, eingefroren in der Bewegung des Moments. Die Faszination angesichts des Effekts wird gebrochen von der Brutalität der Szene, bei der christlich geprägte Betrachter unweigerlich an den biblischen Kindermord in Bethlehem denken werden, die aber darüber hinaus einen weiten Assoziationsraum über unser Verhältnis zur Darstellung von Gewalt aufmacht.
 

Mat Collishaw, All Things Fall (Detail) - Foto © Jürgen Kasten

Daß solche Arbeiten mit ihren besonderen Anforderungen an die Aufstellung nun im Skulpturenpark gezeigt werden können, verdankt sich dem Einbau eines flexiblen Kubus’, der nach Bedarf auch wieder entfernt werden kann. Die raumhohe Rückwand dagegen bietet im Gegensatz zum weiter unten gelegenen Glaspavillon dauerhaft die Möglichkeit der Präsentation von Wandarbeiten.
 
Auf dem Weg talwärts begegnen den Besuchern noch zwei neue, große Skulpturen aus poliertem Edelstahl von Thomas Kühnapfel, „Big Animal 1“ und „Big Animal 2“, die wie die Arbeiten in der Halle bis zum 25. März 2018 ausgestellt bleiben. Außerdem für 2018 avisiert sind Ausstellungen mit Arbeiten von Markus Lüpertz, Joan Miró und Bogomir Ecker.


Thomas Kühnapfel, Big Animal 1 + 2 - Foto © Michael Richter

Weitere Informationen: www.skulpturenpark-waldfrieden.de