Ben Hur

Der Klassiker des Monumentalfims mit heller Begeisterung angeschaut

von Peter Bilsing
Monumental!
 
Da liegt sie nun vor mir, das lange Warten hat sich gelohnt: Die Warner-Brothers „4-Disc-Collector´s-Edition“ von BEN HUR (WB 2005); allein die Außen-Verpackung im aufwendigen Prägedruck signalisiert: „Ich bin etwas besonderes, ein Sammlerstück! In mir ruht mehr als ein außergewöhnlicher Film!“ Stimmt. Die Kassette läßt wirklich das Herz jedes Cineasten höher schlagen, denn der Filmfreund wird mit Informationen und Zusatzmaterial bedient, daß es ihm glatt die Sprache verschlägt. So unliebsam und übel wie man mit dem Kunstwerk Film heutzutage im Fernsehen umgeht, so liebevoll ist dieser Kassiber vom Warner-Restaurationsteam und vielen, vielen Zulieferern resp. Filmfreunden arrangiert. Es ist ein uneingeschränktes Credo für das Medium DVD und jeden Cent (zur Zeit u.a. bei Amazon für ca. 25 Euro erhältlich) wert.
 
Die Chance für alle „Grufties“ und Kinodinosaurier - ich zähle mich selbstverständlich dazu! - endlich ihren Kindern und Enkeln einmal den Monumentalfilm zu zeigen (mit praktisch allen Hintergrundinformationen, die es gibt), der uns vor einem halben Jahrhundert den Weg heraus aus dem „Schluppenkino“ in die großen Filmpaläste wies. Wer diesen Film einmal gesehen hat, wird ihn unschwer wieder vergessen.
Nicht nur das Bild ist gesäubert und bravourös farblich – wie neu – aufgearbeitet, sondern auch der Ton zeitgemäß praktisch rauschfrei veredelt und den neuen technischen Möglichkeiten angepasst. Dabei wurde nicht unbedingt Wert auf gekünstelte 5.1-Kanal-Effekte gelegt (obwohl das bei der ursprünglich vorliegenden 6-Kanal-Tontechnik des Masterbandes durchaus möglich gewesen wäre), sondern es steht der Raumklang im Vordergrund; Ton und Musik bilden eine regelrechte Breitwandeinheit, wobei die gelegentlich doch etwas zu wuchtige Musik das Filmbild schon fast künstlerisch zurückdrängt; aber es ist trotzdem ein Genuß – nicht nur um gleichzeitig auch den Nachbarn zu ärgern, sondern in erster Linie zum Schwelgen in herrlichem szenischem und musikalischem Bombast; und an den schmalzigen Stellen kullert doch manch Tränchen nostalgischer rührseliger Erinnerung über die Backe.
 
Phantastisch ist auch die Filmzugabe des Verleihs, nämlich die Originalfassung des Stummfilms von 1925 (Regie: Fred Niblo), welcher sonst einzeln nicht erhältlich ist. Dieser ist allerdings nicht so stumm wie vermutet, denn die später (1989) hinzukomponierte Musik von Carl Davis – eine kongeniale Mischsinfonie von über 2 Stunden Dauer (Wagner, Mahler, Respighi & Co. lassen grüßen, sogar Peitschenschläge wurden sauber einkomponiert), die durchaus auf jedem Konzertpodium bestand hätte, ersetzt die fehlenden Dialoge mehr als spannungsvoll und kongruent.
 
„BEN HUR – eine Sinfonie in Film“ würde ich die Stummfilm-Scheibe übertiteln. Aber bitte erst die 1959-Version anschauen, durch die eigentlich gewahr wird, was für eine ungeheuerliche Jahrhundertleistung dieser Stummfilm darstellt. Die unzähligen Opfer an Mensch, Tier und Material sieht man dem Film stellenweise an, bzw. sie lassen sich betrüblich erahnen, denn der Stand heutiger Spezial-Effekte lag im Jahre 1925 so gut wie bei Null: Knautschzone war der Mensch. Wenn es auf der Leinwand krachte, krachte es richtig. (Siehe dazu auch die interessanten Specials der 4. DVD). Das Wagenrennen ist in der alten Schwarz-Weiß-Fassung adäquat sensationell; und die Römer sind richtig gemeine Fieslinge – zu Recht wird der Stadthalter in dieser alten Version von dem herunterfallenden Ziegel direkt erschlagen; das Volk jubelt. Well done Ben! Hier war´ s nicht die Schwester.
Auf der 4.DVD gibt es praktisch alles, was das Herz des Cineasten, des Sammlers, des Fans, aber auch des wißbegierigen Filmanfängers erfreut. Infos, Statements, Interviews, bisher unbekanntes Filmmaterial, szenische Dokus, Wochenschaumaterial, Oscarverleihung….etc. Summa Summarum über 3 Stunden wirklich Interessantes. Endlich mal eine Zusatz-DVD, die fast genauso interessant ist wie der Film selbst.
 
Wer einen Beamer hat, sollte den Film im Originalformat (2,75 : 1), also in voller Superbreitwand genießen; nicht nur, damit nichts verloren geht, sondern auch weil die 16 : 9 Adaption (zumindest auf meinem Plasma) störende Unschärfen aufwirft. Die Flachbild-TV-Fans müssen sich notgedrungen mit einem bißchen Letterbox-Format (schwarzer Streifen oben und unten!) zufrieden geben, wenn sie die totale Bildschärfe haben wollen…es lohnt sich dennoch.

Interessantes & Skurriles zum Schluß: Lew Wallace´ BEN HUR (1880) erschien nach dem Riesenerfolg der Buchvorlage ab 1888 als Theaterstück am Broadway; man brachte damals schon bis zu sagenhafte 8 Streitwagen auf die Bühne, die sich auf einem Laufband bewegten! Mit 11 Academy-Awards ist BEN HUR neben TITANIC der Oscar-gekrönteste Film aller Zeiten – er hätte auch den 12. Oscar fürs Drehbuch bekommen, wenn es nicht Streitereien um die Credits gegeben hätte; Wyler wollte neben Karl Tunberg auch Christopher Fry mitaufgeführt haben und hintertrieb so die Nominierung. Für die Seeschlacht wurde extra ein riesiger künstlicher See angelegt, auf dem die Schiffe auf Unterwasser-Schienen geleitet wurden. Noch kurz vor Beginn der Dreharbeiten gab es über 40 Drehbücher. Folgende Darsteller waren ursprünglich für die Hauptrollen im Gespräch: Paul Newman, Marlon Brando, Kirk Douglas, Burt Lancaster, Rock Hudson, und es gibt sogar Probeaufnahmen (Disc 4) mit Leslie Nielsen! „Messala“-Stephen Boyd´s Augen wurde per Haftschalen ins bräunliche transponiert, da Regisseur Wyler seine ursprünglich leuchtend blauen Augen mißfielen, ein Bösewicht hat keine blauen Augen zu haben! Produzent Sam Zimbalist erlag dem Stress der Dreharbeiten. Die Musik von Dr. Miklos Rosza war dem Leitungsteam so heilig, daß sogar der Filmschnitt den Notenfolgen angepaßt wurde. Allein die Szene des Wagenrennens brauchte über ein Jahr Vorbereitung. Über 100 000 Dollar kostet nur eine einzige, der gleich mehrfach und parallel eingesetzten, neu für das 65-mm-Format entwickelten Riesenkameras mit ihren speziellen anamorphen Linsensystem. (Alles wird verzerrt + seitlich geschrumpft aufgenommen, später im Kino wieder entzerrt wiedergegeben). Der Film kostete sagenhafte 15 Millionen und spielte über 80 Millionen ein. Für die in der 59er-Version angeheuerten 78 Pferde wurde in der Filmstadt Cinecittà (bei Rom) ein eigener Hufschmied beschäftig. Von den rund 50 000 für die Dreharbeiten angestellten Personen bekamen immerhin 345 eine Sprechrolle; 45 hielt man für so wichtig, daß sie in die Namensliste der Hauptdarsteller aufgenommen wurden. Beim rauschenden Fest setzte Wyler echte Patrizier ein; über die Hälfte des echten römischen Adels hatte sich als Statist beworben. Die schnellste und größte Studiokantine der Welt auf dem Studiogelände konnte sagenhafte 5000 Menschen innert 20 Minuten versorgen. Mehr sollten Sie sich selbst anschauen. Viel Spaß!
Beispielbild


BEN HUR

Warner Home Video
4-Disc-Collectors-Edition
Format: 16:9 (2,76:1)
Dolby digital
(Copyright 1927, 1959, 1988, 2005)


Darsteller:
Ben Hur: Charlton Heston
Quintus: Jack Hawkins
Messala: Steven Boyd
Esther: Haya Harareet
Ilderim: Hugh Griffith
Miriam: Martha Scott
Simonides: Sam Jaffe
Tirzah:  Cathy O´Donnell
Balthasar: Finlay Currie

Produktion: Sam Zimbalist

Regie: William Wyler

Drehbuch: Karl Tunberg

Musik: Miklos Rosa

Kamera: Robert L. Surtees

Disc 1/2:
Ben Hur (1959) 213 Minuten

Disc 3:
Ben Hur (1925) schwarz/weiß mit Farbsequenzen / 143 Minuten

Disc 4:
Dokumentation von 2005: DAS EPOS, DAS FILMGESCHICHTE SCHRIEB
Dokumentation von 1994: BEN HUR – EIN EPOS ENTSTEHT
Ben Hur (eine Bilderreise)
Probeaufnahmen
Wochenschauberichte
Oscarverleihung
Trailer