Herrlicher Eskapismus

„Meine Cousine Rachel“ von Roger Michell

von Renate Wagner

Meine Cousine Rachel
(My Cousin Rachel - USA 2017)

Regie: Roger Michell
Mit: Rachel Weisz, Sam Claflin, Holliday Grainger, Iain Glen u.a.
 
„Meine Cousine Rachel“ ist neben „Rebecca“ der schönste und berühmteste Lady-Thriller, den Daphne du Maurier geschrieben hat, romantisch und „gothic“, beide einst legendär verfilmt (und „Rebecca“ auch noch auf Theater- und Musicalbühnen gebracht). Nun ist die Cousine Rachel wieder an der Reihe, gespielt von einer echten Rachel, nämlich Rachel Weisz, deren dunkelhaarige Schönheit perfekt der geheimnisvollen Protagonistin des Romans entspricht – an deren Unschuld wir allerdings nicht glauben wollen und wohl auch nicht sollen.
Das Ambiente hat seinen berühmten Reiz, schon seit Jane Austen und den Brontes und früher – die Welt des englischen Landadels, wo es letztendlich immer um Geld geht, wer heiratet wen und wer macht die beste Partie? Der junge, noch nicht volljährige Philip ist der Erbe seines im Ausland befindlichen Cousins. Auf Philip (der 30jährige, locker jünger wirkende Sam Clafin, der mehr und mehr zu Hauptrollen aufsteigt) wirft sein Vormund und Finanzberater Nick Kendall (Iain Glen) ein wohlwollendes Auge, nicht zuletzt für seine Tochter Louise (Holliday Grainger, deren britische Schlichtheit als Kontrast zur „Exotik“ der Heldin eingesetzt wird), die durchaus eine sympathische und gute Partie für den jungen Mann abgäbe. Diese beiden vor allem müssen nun wissenden Auges mit ansehen, was in der Folge geschieht – und der Zuschauer betrachtet die Geschichte (rechtens) quasi mit deren Mißtrauen gemeinsam.
 
Erst kommen die Briefe von Cousin Ambrose, den man nicht kennen lernt. Er hat geheiratet, aber die Schwärmerei für Gattin Rachel weicht bald dem Mißtrauen, ja, der Angst, von ihr ermordet zu werden… und tatsächlich, die Todesnachricht läßt nicht auf sich warten. Und Rachel, die sich tatsächlich auf das englische Landgut des Verblichenen wagt, auch nicht. Sie kommt unter dem Verdacht, eine Gattenmörderin zu sein, und nimmt in aller Eleganz den Kampf gegen das Mißtrauen aller auf.
Nun ist sie ja in Gestalt der geradezu „schmelzenden“ Rachel Weisz eine verdammt schöne Frau, die sich so sanft und zurückhaltend gibt, daß es nicht wahr sein darf, und so nachdrücklich versichert, daß sie keinerlei Geld möchte, daß Philip Mühe hat, seine Hingerissenheit zu beherrschen. Wunderbar, wie beide alle Facetten ihrer Entwicklung ausspielen, wobei bei ihr gnadenlose Bewußtheit dahinter steht, bei ihm die Unschuld des Naiven.
Und nun geht es Schritt für Schritt, wir sehen, wie Rachel ihn einfängt, wie sie anfängt, ihr Verhalten zu ändern, als sie seiner sicher ist, man möchte direkt zur Leinwand hinauf schreien, er solle doch nicht so blöd sein und erkennen, was sich da abspielt… aber Daphne du Maurier hat auch ein Buch über die fatale Macht von Frauen über Männer geschrieben, ein hoffnungsloses Gespinst aus verwirrten Gefühlen, die die Wahrheit nicht sehen wollen.
Freilich, schon bei der Lektüre des Buches hat man gefunden, daß die Autorin sich es mit dem Ende leicht gemacht hat – sicher, es bleibt gänzlich unklar, ob der Reitunfall, der die „Bösewichtin“ das Leben kostet, Manipulation war oder Zufall, aber jedenfalls werden alle Kalamitäten, die da noch kommen müssten, solcherart billig beendet.
 
Wie dem auch sei: Es ist ein Klassiker seiner Art. Und so hat ihn Regisseur Roger Michell (Jane Austen-, aber ebenso Komödien-erprobt) auch inszeniert. Detailfreudig-schön das Milieu ausmalend, geht es ja dann um die Studie des jungen Mannes, der in die Fänge der raffinierten Frau gerät – der Psychothriller, der behutsam die Falle stellt und in dessen Hintergrund Machtspiele und Geldgier stehen, das ideale Unterfutter für jegliche Art von Verbrechen…
 
Alles in allem: Wenn man Rachel auch als mißtrauischer, Krimi-geeichter Zeitgenosse keine Sekunde lang ihre Unschuld glaubt, man läßt sich doch gern in ihren Bann ziehen – und in den eines schönen Kostümfilms, der gestrige Welten so verführerisch ausmalt, auch noch. Herrlicher Eskapismus.
 
 
 
Renate Wagner