Viel berechnendes Pathos

„Walk with me“ – von Marc Francis und Max Pugh

von Renate Wagner

Walk With Me
(GB / 2017)

Regie: Marc Francis, Max Pugh
Stimme aus dem Off: Benedict Cumberbatch
 
Religiöse Menschen, wenn sie nicht aggressiv sind, verdienen immer den Respekt der Umwelt für ihren Glauben, auch wenn man dem, was sie die glauben, und dem, was sie da leben, nicht eben mit Überzeugung begegnen kann. Die beiden Filmemacher Marc Francis und Max Pugh haben sich dem buddhistischen „Meister“ Thích Nhat Hạnh allerdings mit einer so demütigen Bewunderung genähert, daß ihr Film selbst zum Glaubensdokument wird und keinerlei Ansätze macht, eine Dokumentation zu liefern, mit der einem normalen Betrachter wahrscheinlich mehr gedient wäre.
Wer sich ein bißchen in der Esoterik-Szene auskennt, um es – nicht respektlos gemeint – so zu nennen, dem ist der (mittlerweile 90jährige) Vietnamese Thích Nhat Hanh ein Begriff. Nicht ganz so populär wie der Dalai Lama, aber wie dieser klösterliches Leben mit Weltzugewandtheit, Internet und sogar „Tourneen“ verbindend (wo man dann einem zweifellos gut zahlenden Publikum etwas vormeditiert…), lebt er in Frankreich und hat dort sein Kloster und seine Anhänger etabliert.
Nun würde man gerne wissen, wer diese offenbar aus aller Welt kommenden Menschen sind, die sich das Haupt scheren und ein Leben als „Mönche“ und „Nonnen“ in Verzicht auf Sexualität und alle so genannten Freuden des Daseins führen – in einer Spiritualität, die mit Worten begleitet werden, die für kritische, ungläubige Gemüter entweder banal oder verkrampft unverständlich wirken.
 
Wäre dieser Film als Dokumentation gemeint, bliebe er alles schuldig – den ganzen historischen und sozialen, realen und ideologischen Background der Gruppe (Sekte darf man wohl nicht sagen), die Geschichte des Meisters, und vor allem die der „Schüler“, die man begleitet – eineinhalb Stunden nur, wofür sie von den Filmemachern drei Jahre begleitet wurden.
Zuerst in der einsamen Natur in Frankreich, wo mit meditativen Bildern gezaubert wird, um den Zuschauer in die richtige Stimmung zu versetzen und den Eindruck zu vermitteln, man lebte dort quasi mit. Dankenswerterweise hält sich der Meister selbst im Hintergrund, es ist peinlich genug, wie die „Schüler“ (einige treten auch stark in den Vordergrund) sich da beobachten lassen als wären sie in einer „Big Brother“-Show. Ja, Humor gibt es auch, wenn der Meister als „Meister Yoda“ bezeichnet wird – und sogar dessen filmbekannte Figur irgendwo herumsitzt…
 
Reale Fragen, wie sich dieses im Sinn der Alltäglichkeit unproduktive Leben (das natürlich seine spirituelle Seite hat, die einzig im Zentrum steht) finanziert, werden nicht behandelt, das wäre wohl zu profan – allerdings findet der Interessent, sobald er ins Internet geht, nicht nur jede Menge Information über Thích Nhat Hanh und seinen Orden, sondern auch überall die Aufforderung, seine Spende zu tätigen…
Etwas lebendiger wird die Sache, wenn sich die Klosterbrüder und -schwestern mit ihrem Meister aufmachen, in die USA zu reisen, wo eine farbige Nonne (eine jener, die man quasi ein wenig kennen lernt) ihre Eltern besucht, was zu entsetzlich sentimentalen und notabene peinlichen Szenen der „Echtmenschen“ führt – und man nicht versteht, wie irgendjemand eine Kamera bei solchen Ereignissen erlauben kann, die ja nicht „gespielt“ sind… Immerhin sieht man dort auch (zur Beruhigung?), daß die Ordensmitglieder nicht nur meditieren, sondern zwischendurch auch einmal fröhlich Ringelspiel fahren.
 
Kurz, einerseits lernt man Menschen kennen, die ein „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ als Lebensform zelebrieren, die sich andererseits aber recht bewußt dabei zusehen lassen und sich auch gegen Honorar dafür verkaufen. Eine seltsame Mischung – und der Film ist es auch.
Dabei sollte man sich nicht davon beeindrucken lassen, daß „Walk with me“ mit dem Namen „Benedict Cumberbatch“ wirbt, der ja für manche Leute ein Grund sein könnte, ins Kino zu gehen, wenn man vermutet, er ginge („walkte“…) als Person hier in diesem Geschehen mit. Keinesfalls – es ist gerade seine Stimme, die man aus dem Off hört, sein großartiger britischer Theatertonfall für nicht immer großartige Texte. Weiter geht sein Beitrag an dem Film nicht.
Der, nehmt alles nur in allem, höchst zwiespältig ist, kaum „Werbung“ für das, was man sieht, vielmehr aufgeblasene Impressionen (der finale Sonnenuntergang zeigt, mit wie viel berechnendem Pathos das gestaltet wurde), Szenen, die nicht wirklich vermitteln, was hier rund um Meister Thích Nhat Hanh vorgeht. Vielmehr vermißt man jegliche Erkenntnis darüber, was in jeder Hinsicht da dahinter steckt.
 
Trailer   
 
Renate Wagner