Die Bibliothek

(...und wie man sie erwirbt)

von Rudolf Presber

Die Bibliothek

Von Rudolf Presber
 
Die Bibliothek: ist für den geistigen Arbeiter von höchster Wichtigkeit. Eine gute, modernen Erfordernissen entsprechende Bibliothek neu anzuschaffen, ist eine sehr teure Sache. Eine alte zu kaufen, hat wenig Sinn, weil z.B. ein Telephonverzeichnis der Stadt Breslau von 1913 oder ein Adreßbuch von Bückeburg aus dem Jahre 1899, ein Reichskursbuch aus der Vorkriegszeit und gesammelte Börsenberichte aus der Inflationszeit keinerlei praktischen Wert mehr haben.
       Ein Konversations-Lexikon kannst du schon eher „alt“ kaufen. Denn im Leben Julius Cäsars oder in der Naturgeschichte des Stachelschweines oder in der Zusammensetzung des Opodeldoks hat sich seit dem Druckjahr kaum Wesentliches geändert. Neue Titel aber und Erfindungen sind vielfach nichts wert. Und neuer Ruhm ist überhaupt keiner. Karl der Große steht auch im Meyer von 1880. Und wenn du über die Courths-Mahler etwas wissen willst, telephoniere sie an. (Oliva 388)
       Eine gute „Bibliothek“ läßt sich am besten in dieser Weise zusammensetzen: Angenommen, du brauchst populäre Bücher aus der Medizin, Jurisprudenz, Theologie, Literaturgeschichte. Wenn du nun ein Mann der Bildung bist, so hast du unter deinen Bekannten sicherlich einen Anwalt (Jurisprudenz), einen Hausarzt (Mediziner) wirst du auch zu deiner Verfügung haben, der sich auf deinen Besuch freut (du musst aber gleich betonen, daß es sich um keine Konsultation handelt). Ein Theologe freut sich immer, wenn du ihn aufsuchst; den der Abfall von der Kirche ist schreckliche Mode geworden. Ein Literat aber, ob er dir befreundet ist oder dich gar nicht kennt, wird stets geschmeichelt sein, wenn du ihn besuchst. Schön. Diese alten oder neugewonnenen Freunde suchst du nun von Zeit zu Zeit auf, leihst dir aus ihrer Fachbibliothek die einschlägigen Bücher und gibst diese nie wieder.
       Willst du ganz sicher gehen, musst du gleich jedes Mal die erste Seite herausreißen und auf die zweite deinen Namen schreiben. Dieses ist – nach Gewohnheitsrecht – die sicherste Art, Bücher zu erwerben und sich langsam eine hübsche Bibliothek zu gründen.
 
 
Aus: Rudolf Presber – „Der Kampf mit dem Alltag – ein Trostbuch für Leidensgenossen“, 1926 Eulenspiegel Verlag.

Lesen Sie zum Thema auch: Hermann Harry Schmitz – „Das verliehene Buch“ - sowie Rudolf Presbers
Bücher haben ein Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht mehr zurück.