Norbert Bauer †

Ein Nachruf auf den Künstler und Galeristen

von Frank Becker

Norbert Bauer - Foto © Frank Becker

Norbert Bauer – Ausstellungsmacher in Langenberg
 
Der Marathon-Mann
 
Langenberg. Er scheute weder die Auseinandersetzung mit Konzepten, noch den  Konflikt mit Künstlern, Öffentlichkeit, Verwaltung. Rückschläge konnte er wegstecken, ohne an Aufgabe zu denken. Norbert Bauer war ein Macher. Das hatte er erkannt und es auf seine Karte geschrieben. „Ausstellungsmacher“ war da zu lesen und darunter: Kunstkonzeptionen, Ausstellungsplanung und Kunstberatung mit ... (hier darf die Kreativität des Empfängers einsetzen und den Ausschnitt interpretieren). Es ist wohl mehr der Durchblick, als der Mut zur Lücke, der Bauer charakterisierte.
Die Vita des vor Aktivität und Ideen spürbar vibrierenden, wenn auch äußerlich ruhigen Mannes, welcher der Kunst seine Seele verschrieben hatte, spricht für sein Naturell. Die Ausbildung des 1951 in Gelsenkirchen Geborenen zum Theater- und Portraitfotografen brachte hautnahe Berührung mit der Kunst. Durch Lehrer Johannes Stüttgen entstand ein erster Kontakt zur Fluxus-Bewegung  - im späteren Studium der Kunstgeschichte und Germanistik in Essen bei Wolf Vostell vertieft. Das Abitur reizte Bauer nicht, er „ging ab“. Prägende Negativerfahrungen durch die lust- und körperfeindliche  Erziehung im Franziskaner-Internat Dorsten mögen dabei ausschlaggebend gewesen sein. Seine Qualifikation zum Studium bewies er in einer Sonderbegabten-Prüfung. Da war er bereits als 17-jähriger Straßenmaler durch Europa getrampt, hatte mit lange geübten Portraits von Jimi Hendrix und Che Guevara gut verdient und war braun gebrannt, gut genährt und reich an Erfahrung nach Hause zurück gekommen.
 
Vom Überschuß wurde die erste eigene Kamera angeschafft, Grundstock für eine Karriere als freier Presse- und Werbefotograf mit Studio und Büro in Duisburg. Dann das Studium, das ihm besonders die Methodik der gesteuerten Kommunikation  vermittelte. Talent zur Organisation bewies Bauer beim Vostell-Projekt „Heuwagen“ für das er Unmengen Briketts, einen Zuchtbullen, Monitore und einen Cadillac beschaffte. Das Studium ging zugunsten der gut gehenden Geschäfte ein wenig unter, und über eine Annonce „Hochherrschaftliches Wohn- und Geschäftshaus mit parkähnlichem Garten günstig abzugeben“, gelangte Langenberg vor 20 Jahren in das Leben von Norbert Bauer, in das zuvor bereits Ehefrau Gertrud getreten war.
Man zog in die Hauptstraße 109, was zu zehn Jahren unermüdlichen Restaurierens führte. Zwei Kinder wurden in Langenberg geboren, und das Haus wurde als „Kunsträume Norbert Bauer“ Dreh- und Angelpunkt zeitgenössischer Kunst in Langenberg. 1993 gründete Bauer mit 24 interessierten Langenbergern das virtuelle, da hauslose „Kunsthaus Langenberg“ und beschaffte durch den Verkauf des Grundstein-Multiples, ein Genie-Streich, die finanzielle Basis des noch heute aktiven Vereins. Der nächste Streich wurde im selben Jahr der Start der Aktion „Grundsteinkiste“, zu deren Ende die Art Cologne dem Kunsthaus Langenberg auf Einladung des WDR den größten Stand einräumte. Komplett zu sehen waren die 396 Kisten mit je drei von international anerkannten Künstlern gestalteten Kalksandsteinen. Rune Mields war dabei, Anatol Herzfeld, Peter Kowald, Klaus Staeck, Bill Fontana, C.O. Paeffgen u.v.a.m.. Georg Baselitz ließ sich entschuldigen.

Den Durchbruch am Ort brachte 1997 die „Tuchfühlung 1“, durch die Bauer Anerkennung von allen Seiten zufloß, die Langenberg unter den Segeln der Kunst einte und Bauer einen temporären Lehrauftrag an der Uni Essen einbrachte. „Kunst zeigen, wo die Menschen sind!“, war das Credo, das auf haptisches und optisches Erleben im öffentlichen Raum unter Einbeziehung der Bäche setzte. Daß er dabei, wie schon bei der Grundsteinkiste und 2000 der „Tuchfühlung 2“, einen künstlerischen Rahmen vorgab, veranlaßte Timm Ulrichs zu der Bemerkung: „Norbert Bauer vergibt Schularbeiten für Künstler.“ Die Körperkonturen der „Tuchfühlung 2“  und die morbide Aussage der Klavier-Installation „Piano Morte“ trieben einen Keil ins Kunst-Klima Langenbergs. Bauer: „Die Harmonie war dahin, die Auseinandersetzung wurde heftig.“
 


Norbert Bauer und Werner Reuber - Foto © Frank Becker
 
Seinen Bruch mit der öffentlichen Kunst vollzog Bauer, als nach einem Jahr intensiver Arbeit die unter der Schirmherrschaft zweier Ministerien vorbereitete Aktion „Kunst Stau in LA.“, die im fertig gestellten Umgehungstunnel automobile Kunstobjekte zeigen sollte, unter dem Eindruck der Gotthard-Katastrophe 2002 kurzerhand abgesagt wurde. Bauer legte den Vorsitz des Kunsthauses nieder, zog sich zurück und entwickelte für Haus und seine Galerie in der Hauptstraße neue Konzepte. „Der Marathonlauf und die Unterstützung durch meine Frau haben mir sehr dabei geholfen, diesen Bruch zu verarbeiten“, lächelte damals Norbert Bauer, der den Blues nur musikalisch liebte.
Weitere Pläne trieben den Macher um: Ausstellungen im eigenen Haus (z.B. mit Werner Reuber), Zimmertheater, Treppenhauslesungen in Zusammenarbeit mit dem „Blauen Salon“ Ratingen, Kunstaktionen im Garten und ein Kunst-Symposium pro Jahr. Auch der Blick für große Projekte blieb: Stichwort: „Das Folkwang-Atoll“. Idee: Fachkompetenz aus allen Bereichen der Kunst, der Technik und Wissenschaft sowie aus der Wirtschaft zusammenzuführen, die Transformation von Energie in Kunst oder von Kunst in Energie in einem aus Einzelmodulen bestehenden künstlerischen Energiepark zu bündeln. Im Baldeney-See wurden dazu künstliche Inseln installiert.
 
Norbert Bauer war ein mit herrlichem Humor gesegneter, besonders liebenswerter Mensch, ein richtig netter Kerl, der für Langenberg, Velbert und die gesamte Rhein/Ruhr-Region ein künstlerischer Markstein war und nun eine nicht zu füllende Lücke hinterläßt. Bereits am 17. Juli 2017 starb der Künstler, Gelerist und Ausstellungsmacher nach schwerer Krankheit im Alter von nur 66 Jahren.
 
Frank Becker, 16.8.2017