Ein Leben wie ein Roman

Werner Biermann – „Konrad Adenauer – Ein Jahrhundertleben“

von Frank Becker

Umschlagfoto: Will McBride
Ein Leben wie ein Roman
 
Konrad Adenauer - Ein Jahrhundertleben.
 
 Allzuoft verlaufen sich politische Biographien im trockenen Informations-Dschungel, in unverdaulichem Fakten-Wust, in wenn auch korrekten, so doch aber auch gleichzeitig endlos ausufernden Personen-Konstellationen und historischen Abläufen. Nicht so bei der neuen Biographie Konrad Adenauers, die Werner Biermann (1945-2016) als Krönung seines Lebenswerks verfaßt hat. Denn anders als andere ist Biemann ein begnadeter Erzähler, der zwar ebenfalls nicht an historischen Fakten spart, aber genau weiß, wie er sie ebenso unterhaltsam wie informativ an den Leser bringen kann. Und er kann es.
„Konrad Adenauer – Ein Jahrhundertleben“ – der trefflich gewählte Titel und das eindrucksvolle Adenauer-Porträt von Will McBride auf dem Umschlag treffen das Ziel, auf die Lektüre neugierig zu machen. Wer es angeht und nach dem stillen, berührenden Prolog in die 613 Seiten dieser in jeder Hinsicht spannenden Biographie einsteigt, taucht tief in das Leben dieses großen Mannes und die von historischen Umbrüchen gezeichneten Epochen seines Wirkens ein. Werner Biermann ist es gelungen, Lebensgefühl, Zeitkolorit und politische Landschaft vom deutschen Kaiserreich über die Weimarer Republik und das Dritte Reich bis schließlich zum nach dem zweiten Weltkrieg wiedererstandenen Deutschland (West) lebendig zu vermitteln, deutlich zu machen, auf welchem Boden Konrad Adenauer (1876–1967) zwischen Erfolg und Verfolgung konsequent für ein demokratisches Deutschland gewirkt hat. Besonderes Gewicht legt Biermann auf Adenauers Leben vor der Kanzlerschaft: den politischen Aufstieg im Kaiserreich, die steile Karriere als Kölner Oberbürgermeister und prominenter Reichspolitiker in der Weimarer Republik und nicht zuletzt den jähen Absturz während des Dritten Reiches, der ihn beinahe das Leben gekostet hätte“, beschreibt der Verlag das und weiter: Konrad Adenauer hat die Bundesrepublik Deutschland geprägt wie kaum ein Zweiter. Er setzte die soziale Marktwirtschaft durch, söhnte Deutschland mit Frankreich aus und verankerte den Bonner Staat im Westen.“

Was Adenauer bei der Bevölkerung so beliebt gemacht hat, waren seine Volksnähe, sein messerscharfer Verstand, sein trockener Humor und seine konsequente Haltung im Dialog mit den Besatzungsmächten nach dem Weltkrieg, der zu einer Tauwetter-Phase zwischen der Bundesrepublik und der UdSSR und der Rückführung der letzten Kriegsgefangenen sowie später der Aussöhnung mit dem „Erzfeind“ Frankreich und der Versöhnung mit dem Staat Israel führte. Diese Haltung öffnete aber auch die Türen für die westdeutsche Politik und Wirtschaft bei den übrigen internationalen Partnern und früheren Gegnern. Obwohl kränklich und in fatale Geldgeschäfte verwickelt konnte Adenauer dank bester Verbindungen, möglicherweise auch durch seine Zugehörigkeit zu diversen katholischen Studentenverbindungen, vor allem aber durch eisernes Verfolgen seiner politischen Ziele den Aufstieg nehmen, den sein Vater, der Kanzleirat Conrad Adenauer ihm wünschte. Jurist im Staatsdienst, Rechtsanwalt, Dezernent der Stadt Köln, schließlich Oberbürgermeister daselbst. Adenauer ließ keine Stufe aus, was sein Fundament solide machte. Dann kamen der Erste Weltkrieg, in dem er Köln durch die Krise und dann die Weimarer Republik, in der er seine Stadt durch das Chaos führte. Mit der Machtübernahme durch Nationalsozialisten war Adenauer bis zum Ende der Nazi-Diktatur 1945 nicht nur aus dem Verkehr gezogen, er entkam nur knapp der Vernichtung durch die GeStaPo.
Nach `45 kurzfristig von der englischen Besatzungsmacht wieder als Oberbürgermeister der Stadt Köln eingesetzt, aber kurz darauf wieder entlassen und mit einem Verbot politischer Betätigung belegt, wurde er dennoch 1946 CDU-Vorsitzender Rheinland, 1948 Präsident des Parlamentarischen Rates und 1949 erster deutscher Bundeskanzler, ein Amt in das er in der Folge dreimal wiedergewählt wurde.
 
Als Konrad Adenauer 1967 im Alter von 91 Jahren starb, endete nicht nur eine Epoche deutscher Politik, es endete ein Jahrhundertleben, auch ein Leben wie ein Roman. Den erzählt Werner Biemann unter Einbeziehung von Adenauers Familiengeschichte, seinen Ehen und diverser politischer Affären aus z.T. bisher unbeachtet gebliebenen Quellen außerordentlich lesenswert in seinem Buch, der anderen Adenauer-Biographie, die wir mit unserer Auszeichnung, dem Musenkuß bedenken.
 
Werner Biermann – „Konrad Adenauer – Ein Jahrhundertleben“
© 2017 Rowohlt Berlin, 613 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 32 s/w-Bildseiten, Anmerkungs-Apparat, Quellen- und Literaturhinweise, Register - ISBN 988-3-7371-0006-9
29,95 €