Handwerk wird modern. Vom Herstellen am Bauhaus Stiftung Bauhaus Dessau, bis 07.01.2018
Daß das Handwerk seit geraumer Zeit als Gegenpol gegen industrielle Produktionspraktiken und neue, auf Digitalisierung zielende Entwicklungstendenzen wie Industrie 4.0 eine gewisse Renaissance erlebt, läßt sich allenthalben beobachten. Claudia Perren, seit drei Jahren Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau, erwähnt in diesem Zusammenhang die schon länger aktive DIY-Szene, also die Do it yourself-Bewegung, die sogenannten FabLabs (Fabrication Laboratories), die Crafter- und Maker-Szene – alles das läßt sich nicht trennscharf auseinanderdividieren – wie auch die aufstrebende Textilkunst. Das ist die Folie, vor der nun in Dessau nach der Rolle des Handwerks am Bauhaus in den Jahren von 1925 bis 1932 gefragt wird.
Sieht man von Einzelaspekten ab, bietet die das „Herstellen am Bauhaus“ thematisierende Schau in den Räumen der einstigen Weberei des Dessauer Bauhaus-Gebäudes kaum Einsichten, die dem hohen Anspruch einer „Neubetrachtung“ (Perren) der Bauhaus-Geschichte gerecht würden. Die Ausstellung versucht mit dem Klischee aufzuräumen, daß mit dem Wechsel des Bauhauses von Weimar nach Dessau das Handwerk zugunsten einer dezidierten Umorientierung der Schule in Richtung auf die industrielle Sphäre dramatisch an Bedeutung verloren habe. Dagegen soll deutlich gemacht werden, daß dem Handwerk auch in Dessau eine prominente Rolle zukam– freilich einem gegenüber traditionellen Bestimmungen neu gefaßten Begriff und einer andersartig ausgestalteten Praxis von Handwerk. Das alles sind aber keine neuen Erkenntnisse, sondern bekannte Fakten, die in der Ausstellung allerdings durch zahlreiche Exponate unterschiedlichster Objektklassen gut belegt sind: Entwurfsskizzen, Unterrichtsaufzeichnungen, Materialproben, Fotografien, Möbel, Gefäße, Lampen, Textiles. Gezeigt werden auch Werkbänke,
Die im 19. Jahrhundert rapide fortschreitende Industrialisierung zog breite Diskussionen über die Rolle und den zukünftigen Stellenwert des Handwerks nach sich, die in unterschiedlichen Hinsichten – technisch, sozial, politisch – zu Kursänderungen und Neujustierungen führten. Kräften, die das traditionelle, zünftig organisierte Handwerk mit Zähnen und Klauen zu bewahren suchten, standen Karl Marx und andere Beobachter gegenüber, die die Ansicht vertraten, daß das Handwerk hoffnungslos dem Untergang geweiht und der Handwerker zur Proletarisierung verurteilt sei. Wiederum andere sahen in der Maschinenproduktion einen gravierenden Qualitätsverlust gegenüber dem handwerklich gefertigten Produkt und deuteten diese Entwicklung als Symptom eines kulturellen Niedergangs. Die englische Kunstgewerbliche Reformbewegung mit ihrer Galionsfigur William Morris suchte dem in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts durch eine Neubelebung des Handwerks ebenso entgegenzuwirken wie auf dem Festland etwa der 1907 gegründete Deutsche Werkbund, in dem noch kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs erbittert über das Verhältnis von Kunst, Handwerk und Industrie gestritten wurde. Im Frühjahr 1919 wurde in Weimar das Bauhaus gegründet, dessen Geschichte zugleich die Geschichte des Versuchs war, dieses Verhältnis unter den sich wandelnden gesellschaftlichen Randbedingungen der Weimarer Republik immer wieder neu zu kalibrieren.
Mit der Fokussierung der Entwurfsarbeit auf die industrielle Sphäre hatte das Handwerk am Bauhaus aber keineswegs ausgedient, wie zahlreiche Exponate der Dessauer Schau anschaulich zeigen. Regina Bittner, stellvertretende Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau und Co-Kuratorin der Ausstellung, charakterisiert die Werkstätten des Dessauer Bauhauses als „Transitraum [...] zwischen Fabrik und Handwerksbetrieb, zwischen Lehrwerkstätten der Kunstgewerbeschulen und Laboratorien für industrielle Prototypen.“ Die Ausstellung macht nicht nur diese komplexe Gemengelage deutlich, sondern führt auch die unterschiedlichen Geschwindigkeiten der einzelnen Werkstätten, mit denen sie sich zu modernen „Laboratorien für die Industrie“ entwickelten, vor Augen. Und sie deutet das Konfliktpotential an, das sich daraus ergab, daß das Bauhaus im Spannungsfeld zwischen einem zunehmend avancierten Begriff von Handwerk und einer traditionsverhafteten Praxis handwerklichen Tuns, wie sie von den Handwerksverbänden gepflegt wurde, agierte. Denn wie zuvor schon in Weimar machten die Absolventen auch in Dessau ihren Abschluß nicht nur am Bauhaus, sondern sie legten mit dem Ziel einer formalisierten gestalterisch-handwerklichen Doppelqualifikation zusätzlich vor der
Unter dem Stichwort „Objektbiografien“ geht die Ausstellung auf die „unterschiedlichen öffentlichen Karrieren“ einiger am Bauhaus entworfener und als Prototypen für die Industrie handwerklich hergestellter Gebrauchsgegenstände ein, sei es des berühmten Stahlrohrsessels „B3“(bekannt als „Wassily Chair“) von Marcel Breuer oder der KANDEM-Leuchten, die von der Leipziger Firma Körting & Mathiesen in hohen Stückzahlen produziert wurden. Dabei werden auch Fragen des Urheberrechts, des Patentschutzes und der Entwurfshonorare thematisiert sowie das Problem der „Anerkennung der Autorenschaft“ in den Blick genommen. Während Breuer es früh verstand, seine Tätigkeit am Bauhaus öffentlichkeitswirksam
So konzis die Dessauer Ausstellung ihren historischen Gegenstand mit einer Fülle von Exponaten zur Anschauung bringt, so schwierig erscheint das Bemühen eines Brückenschlags in die Gegenwart. In einem separaten Raum haben Regina Bittner und ihre Co-Kuratorin Renée Padt einige zeitgenössische internationale Positionen alternativen, selbstbestimmten und nachhaltigen Handwerkens versammelt. Für sich genommen allesamt interessant, stehen die in Dessau präsentierten Projekte mit dem Bauhaus, sofern überhaupt, allenfalls in einem lockeren Zusammenhang. Insofern läßt sich der Eindruck einer gewissen Beliebigkeit nicht von der Hand weisen, zumal dem Besucher der Ausstellung die Kriterien für die Auswahl der genannten Positionen nicht ohne weiteres deutlich werden. Vielleicht wäre angesichts der Überfrachtung der im Kern aufs Historische zielenden Dessauer Schau durch den Versuch, sie unter der Leitthese „Handwerk wird modern“ zu aktualisieren, das klassisch gewordene Motto „less is more“ des dritten Bauhaus-Direktors Ludwig Mies van der Rohes kein schlechter Ratgeber gewesen.
Weitere Informationen: http://www.bauhaus-dessau.de/de/ausstellungen/handwerk.html
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