Sinnfreie Unterhaltung

„Baby Driver“ von Edgar Wright

von Renate Wagner

Baby Driver
(USA, GB 2017)

Regie: Edgar Wright
Mit: Ansel Elgort, Lily James, Kevin Spacey, Jamie Foxx
 
Was soll das nun sein? Ein wilder Gangsterfilm mit wüsten Schießereien und noch wüsteren Autojagden? Zweifellos. Aber auch die Geschichte eines sehr seltsamen jungen Mannes, dessen „Anderssein“ liebevoll ausgemalt wird? Ja, das auch. Und eine Liebesgeschichte, die sich am Ende so kitschig auflöst, daß man nur stöhnen kann? Sicherlich. 
Das alles hat der britische Regisseur Edgar Wright, bekannt für schräg-Britisches, vom Weltruhm noch weit entfernt, in seinen Film „Baby Driver“ gemixt, der von einem Teil der amerikanischen Kritik hervorragende Besprechungen erntete. Nicht zuletzt wegen der „Geschmeidigkeit“ der Umsetzung – obwohl das die Hongkong-Filmer genau so gut und besser können. Also, so ganz begreift man als Europäer die Begeisterung nicht. Man merkt nur, daß hier spürbar mehr Ambition investiert wurde als sonst in Filme dieser Art.
 
Der junge Mann wird nur „Baby“ genannt, hat (Ansel Elgort sieht unschuldig und etwas unbeteiligt aus der Wäsche) das richtig naive Jungen-Gesicht und immer irgendwelche Ohrhörer eingestöpselt. Später erfährt man, daß er ein Ohrenleiden hat, und Rückblenden erzählen von einem Autounfall, wo seine Eltern ums Leben kamen und er den Hörschaden davon trug (die schöne blonde Mutter wird immer wieder durch seine Träume geistern). Mit seinem afroamerikanischen Ersatzvater Joseph verkehrt er in Gebärdensprache (die Rolle wird auch von dem tauben Darsteller CJ Jones gespielt, der eine hinreißende Studie menschlicher Anteilnahme an dem Jungen liefert). Und Baby bastelt geradezu pathologisch an irgendwelchen Sprach- und Musikaufnahmen herum, die er mit einem Uralt-Recorder, den Mutter ihm geschenkt hat, aufnimmt (daß es so was noch gibt – wo nimmt er die Cassetten dafür her? Im Handel gibt es die ja wohl nicht!).
Baby, so wie man ihm im Lauf des Geschehens kennenlernt, wäre also ein ganz sympathischer, einigermaßen normaler junge Mann, dem man die prompte Liebesgeschichte mit der Kellnerin im Coffee Shop (Lily James als Deborah geht ganz entschlossen an ihn ran) sofort glaubt. Ist auch nötig – für das angekündigte Kino-Happyend.
 
Aber dazwischen schiebt sich noch ein anderes Stück Handlung. Offenbar hat Baby einmal einen Blödsinn begangen und sich mit dem Gangsterboß „Doc“ angelegt (Kevin Spacey will gelegentlich zeigen, daß er nicht nur im „House of Cards“ zuhause ist). Und für den muß er Fluchtwagenfahrer spielen. Während die anderen die Banken stürmen, sitzt er draußen und wippt zu seiner Musik. Dann tritt er aufs Gas und liefert die herrlichsten Verfolgungsjagden, die für die Bösen immer gut ausgehen (auch wenn Baby einmal flüchtend durch ein Kaufhaus sprinten muß, daß man lernt: Action geht nicht nur mit Auto, sondern auch auf zwei Beinen). 
Baby hat nur das Problem, daß er aus den Krallen von „Doc“ nicht herauskommt, so gern er es will. Und die Gangster, die er fährt (darunter immerhin Jamie Foxx, der sich auch schon mit kleineren Rollen zufrieden geben muß), sind keine angenehmen Zeitgenossen. Also – dann geht doch einiges schief. Aber ein Mädchen, das wirklich liebt, wird doch hoffentlich warten?
Regisseur Edgar Wright hat „Baby Driver“ einen „Film, der von Musik getrieben wird“ genannt. Damit ist der Opernfreund natürlich überfordert – aber wer sich in der Szene der populären Songs und Bands auskennt, wird hier möglicherweise ganz am richtigen Ort sein?
Was war das nun? Schwer zu sagen. Deutsche Kritiker, weniger begeistert als die Amerikaner, nannten es „sinnfreie Unterhaltung“. Das kommt in etwa hin.
 
 
Renate Wagner