Das Schweigen

Ein Rückblick nach Helmut Kohls Abtreten von der Bühne

von Konrad Beikircher

Konrad Beikircher - Foto © Frank Becker
Das Schweigen
 
Ein Rückblick nach Helmut Kohls Abtreten
von der Europäischen Bühne
 
Also daß man seinerzeit das Schweigen Helmut Kohls direkt mit Ingmar Bergmanns großem Film vergleichen könnte - ich weiß et nit. Im Film hat man immerhin Stöhnen vernommen. Dem Vernehmen nach ist das bei unserm Helmut schon paar Jahre her - man weiß et nit. Also zu dem ganzen Jedöns in der CDU kann ich nur sagen: woher die Aufregung? Hat nicht der Mitterand damals beim Händchenhalten dem Helmut offen den Elfer-Scheck in die Hand gedrückt? Selber Schuld, wenn die Kameraleute nur von vorne gefilmt haben. Seit CNN-Zeiten weiß jeder Profi: Politikertreffen? Immer ein Kameramann nach hinten, aber hallo! Oder: was ist denn dagegen zu sagen, wenn die hessische CDU als Vorsorge für schlechte Zeiten (und wann hatte die jemals gute?) was auf den hohen Kanter legt? Und wenn der Prinz Verwandtschaft in Liechtenstein hat - ja warum sollen die da nicht ein bißchen drauf aufpassen? Pech aber auch, daß offenbar ein paar von den ‘verblichenen’ jüdischen Spendern nach dem Wahlkampf gegen die doppelte Staatsbürgerschaft 4 Millionen wieder abgegriffen haben, oder hat das der Oskar als Zuschuß für sein Buch bekommen, damit er es auch wirklich schreibt? Man weiß et nit. Also als ehemaliger italienischer Staatsbürger kann ich zu dem Janzen nur sagen: ENDLICH! Man hat sich ja gar nicht mehr blicken lassen wollen in Italien. Craxi! Andreotti! Das waren Dimensionen. Und was hatten wir? Graf Lambsdorff! Ph! Jetzt haben wir Europa endlich bewiesen, daß wir dem Taschengeld-Alter entwachsen sind! Hat zwar wat jedauert, ewwer jot Ding will bekanntlich...

Es hat aber auch noch andere positive Seiten. Bekannte Wörter bekommen neue Bedeutung. Die neue Form von Spendenquittung: der Rücktritt. Die neue Form von Ehrenwort: Maul halten. Nun hat ja Kohl immer wieder gesagt: „Nur was hinten rauskommt, zählt” - ewwer do kütt och nix! Also ist es kein Schweigen, dat es en Verstopfung. Also sind da mehr die Kollegen von der Rohrreinigung gefragt als der Untersuchungsausschuß. Bin mal jespannt, wer als erster die Grubenlampe aufsetzt. Und endlich weiß ich auch, was Pfälzer Saumagen ist: Putschblos, jefüllt mit Ehrenwort. Andererseits: wenn der Vorsitzende nur mit Wörtern um wirft, bleiben dem Ehrenvorsitzenden ja nur Ehrenwörter. Wat willse maache?! Aber, wo Sie jrad sage: Schäuble. Ist es nicht putzig, wie die Rollen immer die gleichen bleiben? Schäuble, der ewige Kronprinz, hat seit Jahren auf DIE Chance gewartet, den Dicken fertig zu machen, dann es et esu wick, un wat es? Der Dicke läßt Schäuble ein paar Wochen strampeln, dann sagt er in Hamburg zwei, drei Sätze heiße Luft und der Schäuble ist wieder der Kronprinz, der dem Dicken hinterherhechelt. Herrlich! Charlie Chaplin hätt’ et nit besser inszeneere könne. Und der Rüttgers steht im Sektkeller und rüttelt janz steckum die CDU- Flaschen: immer eine Vierteldrehung weiter, bis sie keine Luft mehr kriegen. Mutter Merkel macht weiter Werbung für Papiertaschentücher (könnte die sich nicht mindestens den Mund ein bißchen nach oben schminken, man kann et ja nicht mehr angucken?!), Geissler macht seinem Namen alle Ehre, indem er den Rücken des Vordermannes geißelt (im Mittelalter war das anders!), Rühe macht Wattwanderungen („Watt maache mr dann? Watt maache mr dann”), Koch köchelt auf leiser Mitleidsflamme und sieht aus, als hätte er keine Fritten mehr im Büdchen und alle sind sie ratlos. Wissen Sie, worüber die ratlos sind? Wie sie uns erklären sollen, dat keiner wat jewußt hat, dodrüwwer sin die ratlos. Dat kann mir doch keiner erzählen, dat dat über die wie en Naturkatastroph ‘ereinjebrochen ist! Wissen Sie, was der CDU bei all diesen Skandalen fehlt? Das Rheinische. Lebte Adenauer heute noch, er würde Helmut Kohl zu sich zitieren und ihm nicht etwa eine Moralpredigt halten, nein, er würde ihm sagen: „Saren Se mal, Herr Kohl, hat Ihne denn nie einer jesagt, dat Erwischen-Lassen unanständig is?”. Und da wären wir beim Thema. Der Unterschied vom großen Adenauer zu allen seinen CDU-Nachfahren ist der: Adenauer hat nie die hohe Politiker-Moral auf seine Fahne geschrieben. Daran, daß die Kiesingers und Kohls und wie sie alle heißen das getan haben, sind sie gescheitert. „Kinner hätt sich sellevs jemaat”, sagt man in Düsseldorf, auch Kohl nicht. Er ist auch nur das - im Moment etwas erbärmliche - Produkt unserer Sehnsucht, daß Politiker rein, erhaben und integer zu sein haben. Sie sind aber wie wir.
Oder ist das Ganze doch sizilianisch? Omertà ist dort der höchste Wert - für die Mafia. Omertà - die Mauer des Schweigens. Und die Mafia hat von sich immer als „ehrenwerter Gesellschaft” gesprochen. Aber nein, der Vergleich hinkt ganz gewaltig: die Mafia hat immer selber gespendet - Spenden annehmen wäre unter ihrer Würde gewesen.  


© Konrad Beikircher

Redaktion: Frank Becker