Tanz in der Antike

Sonderausstellung im Bonner Akademischen Kunstmuseum

von Rainer K. Wick

Tanzender Satyr aus der hellenistischen Gruppe
'Aufforderung zum Tanz', Foto © Rainer K. Wick
Tanz in der Antike

Sonderausstellung und Tanzperformance
im Bonner Akademischen Kunstmuseum
 
Das Akademische Kunstmuseum am Bonner Hofgarten gehört zum Archäologischen Institut der Universität Bonn und beherbergt neben seinen zahlreichen griechischen, etruskischen und römischen Originalen eine der größten Sammlungen mit Abgüssen antiker Skulpturen europaweit. In erster Linie dienen sie Lehrzwecken in der Ausbildung zukünftiger Archäologen, doch steht das Museum auch der interessierten Öffentlichkeit offen. Kleine Sonderausstellungen, über die in den „Musenblättern“ bereits mehrmals berichtet wurde, beleben regelmäßig das Programm dieses „verborgenen Museums“, das in der Bonner Museumslandschaft zweifellos mehr Beachtung verdient hätte, als ihm gemeinhin zukommt. Nun haben Frank Rumscheid, Professor für Klassische Archäologie an der Universität Bonn und Direktor des Museums, und Kornelia Kressirer, Akademische Rätin und Kustodin des Museums, eine hochinteressante Ausstellung erarbeitet, die sich mit dem Thema „Tanz in der Antike“ befaßt.
 
Kultischer Hintergrund
 
Daß dem Tanz bei den alten Griechen eine herausragende Rolle zukam, ist durch literarische Quellen wie auch durch antike Darstellungen in Form von Malereien und Skulpturen gut belegt. Der Kulturhistoriker Max von Boehn schrieb 1925 in seinem immer noch lesenswerten Standardwerk „Der Tanz“: „Der Tanz gehörte so wesentlich zur Verehrung der Götter, daß der Mythos sie selbst zu Tänzern macht [...]. Alle Götter tanzen, selbst Zeus mischt sich in den Reigen. [...] So gibt es denn auch keinen griechischen Tanz, der nicht ursprünglich auf den Kult zurückzuführen wäre.“ Davon zeugt schon der Auftakt zur Sonderausstellung im Akademischen Kunstmuseum. So wird der Eingang links von einem tanzenden Satyrn mit Fußklapper und rechts einer sitzenden Nymphe flankiert. Beide Figuren gehörten ursprünglich zusammen und bildeten eine Einheit, so daß die moderne Forschung dieser hellenistischen Gruppe den modischen Titel „Aufforderung zum Tanz“ gegeben hat. Derart eingestimmt, erwarten den Besucher der Ausstellung etwas mehr als sechzig Exponate griechischer, etruskischer und römischer Provenienz aus dem Zeitraum zwischen dem 7. Jh. vor und dem 3. Jh. nach Christus – Statuen, Reliefs, Kleinplastiken, bildliche Darstellungen auf antiken Gefäßen.
 
Formen und Praktiken des antiken Tanzes
 
Die Ausstellung dokumentiert die unterschiedlichsten Formen und Praktiken des antiken Tanzes. Breiten Raum nehmen Darstellungen des bei den Griechen populären Reigentanzes ein – von einem archaischen Weihrelief aus dem 6. Jh. v. Chr., das in strenger Abfolge die drei Chariten, die Göttinnen der Schönheit und des Liebreizes, zeigt, bis hin zu den sogenannten Borghesischen Tänzerinnen aus dem 2. Jh. n. Chr., die sich vor einem architektonischen Hintergrund in elegant fließenden Schritt- und Drehbewegungen präsentieren. Im Unterschied zu ihren langen Gewändern besitzen die bei Kultfesten auftretenden, liebreizenden Kalathiskos-Tänzerinnen, die korbartige Kopfbedeckungen tragen und auf den Zehenspitzen tanzen, kurze, um die Hüften flatternde Gewänder aus dünnem Stoff, die die jugendlichen Körper voll zur Geltung kommen lassen.
Bei bestimmten Anlässen konnten die Tänze ekstatische Ausmaße annehmen. Dies gilt vor allem für die dem Weingott Dionysos geweihten Umzüge, zu deren Erscheinungsbild die Mänaden gehörten, jene sich dem Rausch und der Raserei hingebenden mythischen Begleiterinnen der Gottheit. So anmutig diese tanzenden Mänaden auf den ersten Blick erscheinen mögen, so sehr konnten sie doch außer Kontrolle geraten, wie ein Relief aus der Zeit um 400 v. Chr. belegt, das eine Tänzerin zeigt, die gerade mit einem Messer ein Zicklein zerteilt hat. Darstellungen von berauschten Mänaden kommen häufig auch in der griechischen Vasenmalerei vor. So findet sich auf einem exzellent erhaltenen attisch-rotfigurigen Kelchkrater (Mischgefäß für Wein) aus spätklassischer Zeit (um 350 v. Chr.) das Bild einer Tanzenden mit einer Handtrommel, die in Ekstase ihren Kopf zurückwirft.


Borghesische Tänzerinnen, 2. Jh. n. Chr., Foto © Rainer K. Wick

Nicht fehlen darf in der Ausstellung ein Nachguß der berühmten hellenistischen Statuette des sogenannten Tanzenden Fauns aus dem 1. Jh. v. Chr., die im Atrium der Casa del Fauno, einer Luxusvilla in Pompeji, aufgefunden wurde. Ob es sich tatsächlich um einen Faun, eine altitalische Gottheit des Waldes, handelt, oder um einen der griechischen Welt des Dionysos zuzurechnenden Satyr, mag dahingestellt bleiben. Unstrittig ist aber, daß dieser hinsichtlich Mimik, Gestik und tänzerischer Motorik eindrucksvollen nackten Figur ein geradezu ikonischer Status zukommt. – Daß nicht alle antiken Tanzdarstellungen einen kultischen Hintergrund hatten, zeigen etwa das Relief eines Kriegers beim Waffentanz oder ein etruskischer Kelchkrater (um 350 v. Chr.), auf dem ein fettleibiger nackter Zecher zu sehen ist, der im Anschluß an ein ausgiebiges Gelage tanzend durch die nächtlichen Straßen zieht und dabei in seiner rechten Hand eine Weinkanne hält.
Zahlreiche Beispiele in der Bonner Ausstellung belegen, daß im Altertum Tanz und Musik eine unauflösliche Einheit bildeten. Gespielt wurde auf den gerade erwähnten Handtrommeln, sogenannten Tympana, oder auf Kymbala, kleinen Schallbecken (der Name hat sich in unserem „Zimbel“ erhalten). Zum Einsatz kamen auch das Krotala (eine den Kastagnetten ähnliche Klapper), die allseits bekannte Panflöte und der Aulos, ein schon im alten Ägypten gebräuchliches gedoppeltes Rohrblattinstrument, und als Melodie- und Begleitinstrument zum Gesang diente die Kithara, ein Saiteninstrument, das von Apollon in seiner Rolle als Musenführer gespielt wurde.


Attisch-rotfiguriger Kelchkrater mit tanzender Mänade, um 350 v. Chr. - Foto © Wick
 
Tanzperformance des Ballettstudios der Bonner Universität
 
Ohne an dieser Stelle in Einzelheiten zu gehen, soll erwähnt werden, daß das Ballettstudio der Universität Bonn unter seiner Leiterin Iskra Zankova an zwei Abenden – am 12. und 13. Mai 2017 – unter dem Motto „Tanz zwischen Skulpturen“ Tänze zur Musik berühmter Komponisten von Verdi bis Gershwin zur Aufführung gebracht hat. Mochten einst museale Räume mit Gipsabgüssen von antiken Originalen noch als „Leichenhallen“ tituliert worden sein, in deren „kalten Räumen [sich] nur Tote“ befänden und in die kein „Hauch der Außenwelt“ eindringe (Nikolaus Pevsner), so gelang es den jungen Tänzerinnen und Tänzern unter dem Beifall des begeisterten Publikums, den „heiligen Hallen“ des Akademischen Kunstmuseums gleichsam eine Frischzellenkur zukommen zu lassen.
Zu dieser kleinen, aber unbedingt sehenswerten Ausstellung ist im Habelt-Verlag Bonn ein informativer, hundert Seiten starker Katalog erschienen, in dem alle Exponate abgebildet sind und knapp kommentiert werden (17,80 € im Buchhandel, 10,- € an der Museumskasse). Die Ausstellung läuft noch bis zum 27. August 2017. Da es sich um ein Universitätsmuseum handelt, dessen personelle Ressourcen bedauerlicherweise eher begrenzt sind, ist es für Öffentlichkeit leider nur dienstags bis freitags von 15 bis 17 Uhr und sonntags von 11 bis 18 Uhr zugänglich.


Tanzperformance des Ballettstudios der Bonner Universität - Foto  Rainer K. Wick
 
Akademisches Kunstmuseum, Am Hofgarten 21, 53113 Bonn, Telefon 0228/73-7738 (Kustodin Dr. Kressirer); 0228/73-5011 (Sekretariat); 0228/73-5012 (Kasse); Fax 0228/73-7282; https://www.antikensammlung.uni-bonn.de/