Die Magie eines Jahres

Peter Kemper - „Sgt. Pepper.“ / Ernst Hofacker – „1967“

von Frank Becker

Die Magie eines Jahres
oder
Up, up and away!
 
„Wer nicht das Glück hatte, als Teenager die Sechziger Jahre
erlebt zu haben,
wird kaum ermessen können, wie viel
Optimismus
und Aufbruchsgeist damals in der Luft lag.“
(Peter Kemper)
 
Eine Reihe Autoren macht aktuell den hoffnungsfrohen großen Aufbruch der Jugend in eine scheinbar bessere Zeit an der Popkultur des Jahres 1967 fest: im Reclam Verlag tun es Ernst Hofacker und Peter Kemper. Das Scharnier für die Sicht auf und in dieses Jahr ist die Pop-Musik, bei Peter Kemper mit besonderem Augenmerk auf das revolutionäre, bewußtseinsverändernde Beatles-Album „Sgt. Peppers Loneley Hearts Club Band“, Ernst Hofacker zieht den Kreis weiter, erfaßt die politischen Umbrüche und die gesamte Pop-Kultur dieser unglaublich lebendigen, kreativen Zeit. Nun hat jeder, der damals dabei war, vermutlich seine eigenen, ganz persönlichen Eindrücke, doch trotz Vietnam-Krieg, dem 6-Tage-Krieg im Nahen Osten, dem Beginn des Biafra-Krieges, der Ermordung von Che Guevara und Benno Ohnesorg, der fürchterlichen „Kulturrevolution“ im kommunistischen China, dem Aufflammen von Rassenunruhen in den USA anderer schlimmer Ereignisse ist 1967 als das Jahr von Love & Peace in die Geschichte eingegangen. Und das war auch so, wie Klaus Voormann klipp und klar konstatiert.
Im Zentrum der Zeit Hippie- und Flower-Power-Bewegung die Mitte der Sechziger Jahre die Jugend der Welt wie ein gutartiger Virus erfaßte, waren die kreativen Jahre 1967-70, nicht nur durch die Beatles und ihr Album „Sgt. Pepper“ und Film und Album „Magical Mystery Tour“, durch Ravi Shankar, Lovin´ Spoonful, Jimi Hendrix und Malcolm X die Zeiten überdauern werden. Es gibt ein regelrechtes Füllhorn von Stich- und Reizworten, Namen und Melodien, das wie ein bunter Zeichentrickfilm von Heinz Edelmann natürlich besonders in den Herzen der Zeitzeugen einen farbenfrohen Erinnerungssturm auslöst: The Doors, Hair, Afri Cola, Charles Wilp, Pril-Blumen, Beach Boys, Heinrich Böll, Ventures, Woodstock, Gary Puckets Young Girl Batik, LSD, Scott McKenzie, Summer in the City, Tamla Motown, Andy Warhol, The Who, The Monkees, Bluna, Truman Capote, Janis Joplin, Worte des Vorsitzenden und und und… Es war ein Zeitgefühl, das sich mit The Fifth Dimension und „Up, up and away!“ kaum besser beschreiben läßt.
 
Im Fokus: Sgt. Pepper
 
Peter Kemper hat in seinem handlichen und übersichtlichen Buch „Sgt. Pepper“ alles über das grandiose, legendäre, unerreichte Beatles-Album „Sgt. Peppers Loneley Hearts Club Band“ zusammengetragen, was wissenswert ist. Er hat das persönliche und musikalische Umfeld der vier Liverpooler dafür ausgeleuchtet, wobei auch die Rolle konkurrierender Bands wie Beach Boys oder The Who im neuen Pop-Geschehen ins Spiel kommt. Die Vor- und Aufnahme-Geschichte der Songs, die Analyse der Songtexte (die erstmals vollständig abgedruckt wurden) nebst diverser Verschwörungs-Legendenbildungen, die Erläuterung von Instrumentation, Kompositionen und Aufnahmetechnik, sowie die Aufschlüsselung der opulenten Cover-Gestaltung sind gleichermaßen unterhaltsam wie informativ. 30 Millionen beträgt bis heute die Auflage dieses Albums. Der Preis des Bändchens darüber ist mit 10,- € populär, die Anschaffung unbedingt lohnend. Auf den letzten beiden Seiten gibt es ein paar Hör- und Lesetips, ein Index fehlt.
 
Peter Kemper - „Sgt. Pepper.“
Originalausgabe
© 2017 Reclam Verlag, 102 Seiten, Broschur, 25 Abbildungen - ISBN: 978-3-15-020432-0
10,- €
 
 
Summer of Love
 
„1967.“ Markanter und direkter kann man einen Buchtitel nicht auf den Punkt bringen. Ernst Hofacker überschreibt so seine Sicht auf den „Summer of Love“, in dem die Welt im Rhythmus der neuen Popmusik zu vibrieren schien. Die Beatles veröffentlichen ihr achtes Album, „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“, oft und zu Recht als epochal bezeichnet. Revolutionär und raffiniert ist die Musik, revolutionär ist das Cover, das die Beatles in Phantasieuniformen umgeben von Persönlichkeiten aus Geschichte, Kunst und Politik zeigt. Das Kapitel seines Buches dazu nennt er im Untertitel „Wie Sgt. Pepper die Beatles überflüssig machte.“ Auch eine Einschätzung. Vor 50 Jahren war noch alles gut. 1967 war das Jahr, in dem die Welt – trotz aller Gewalt - aufatmete, durch junge Leute Hoffnung schöpfte, die Blumen an Soldaten und Polizisten verteilten, Gewaltlosigkeit wollten und lebten und sich international als Weltgemeinschaft fraternisierten. Das Fanal Woodstock folgte.
Was in diesem Jahr, in dem sich in Westberlin in der Wohnung von Uwe Johnson die Kommune 1 mit Dieter Kunzelmann, Ulrich Enzensberger, später Fritz Teufel, Rainer Langhans und Uschi Obermaier gründete und in dem in den USA zum ersten Mal mehr Alben als Singles verkauft wurden popkulturell geschehen? Wer waren die Protagonisten in diesem Magical Mystery Year, was waren ihre Motive und was die Folgen?
Ernst Hofacker macht mit seiner Spurensuche in San Francisco/Haight-Ashbury, im kalifornischen Monterey, in London und der deutschen Provinz Station, wirft einen deutlichen Blick auf schwarze Musik (R.E.S.P.E.C.T.), auf Bob Dylan, auf Andy Warhol und die Pop-Art („Alles Banane“), auf den jungen deutschen Film (Peter Schamoni, May Spils) und er gibt zu jedem der Kapitel umfangreiche Buch- und Musikempfehlungen. Ein spannendes Buch, in dem ich Heinz Edelmann vermisse, dessen Handschrift der Buchumschlag trägt – ansonsten ein hervorragendes Zeitbild.
 
Ernst Hofacker – „1967“ - Als Pop unsere Welt für immer veränderte

Originalausgabe (2. Auflage)
© 2016 Reclam Verlag, 272 Seiten, gebunden, 50 Abbildungen, ausführliches Register.
ISBN: 978-3-15-011086-7
34,95 €
Inhalt
- Das Jahrzehnt des Wandels - t was fifty years ago ...
- All you need is Love - 1967 – die Welt wird bunt
- Summer of Love - Die Legende von Haight-Ashbury
- Young Gods smiled - Traum und Wirklichkeit von Monterey
- R.E.S.P.E.C.T. - Die Schwarze Musik am Scheideweg
- Big Pink (Bob Dylan, The Band und der Americana-Mythos
- Alles Banane - Andy Warhol, Velvet Underground und die düstere Chansonette
- Touchdown in London - Ein Transatlantikflug mit Folgen
- When we was fab - Wie Sgt. Pepper die Beatles überflüssig machte
- Der den Himmel küsste - Jimi Hendrix und die Geburt des Guitar Hero
- Beat goes Bauhaus - Aufruhr in der Pop-Provinz
- In a broken dream - 1968 – das Erwachen
- It was 50 years ago today - Was blieb vom Sommer der Liebe